Meister der Tonspur

So akribisch wie erfolgreich, aber als Person erstaunlich unbekannt: der Filmregisseur Robert Wise. Eine Werkschau im Zeughauskino  ■ Von Lars Penning

Er gehört zu den kommerziell erfolgreichsten Filmregisseuren der sechziger Jahre, gewann mehrere Oscars und genießt in amerikanischen Filmkreisen höchsten Respekt. Dennoch ist Robert Wise ein von der Kritik stets unterschätzter Regisseur geblieben, abqualifiziert als Handwerker ohne Handschrift. Den Freunden des Genrekinos ist er hingegen kein Unbekannter: Wise schuf Musicalklassiker wie „West Side Story“ (1961) und „The Sound of Music“ (1965), und er jagte den Liebhabern des Horrorfilms mit Werken wie „The Body Snatcher“ (1945) und „The Haunting“ (1963) wohlige Angstschauer über den Rücken.

Bei Science-fiction-Fans stehen „The Day the Earth Stood Still“ (1951) und „The Andromeda Strain“ (1971) hoch im Kurs, und auch die Boxerfilme „The Set-Up“ (1949) sowie die Rocky-Graziano- Biographie „Somebody Up There Likes Me“ (1956) gelten als zwei der besten Filme des Genres.

Wise' Stärke als Regisseur liegt in der sorgfältigen Vorbereitung und der Liebe zum realistischen Detail: Seine oft akribischen Recherchen bestimmen Stil, Dekor und Ausleuchtung eines Films. So trieb er sich im Vorfeld von „The Set-Up“ wochenlang in einer schäbigen Boxarena herum und studierte die Kleidung, Gesten und Gespräche der Faustkämpfer. Zur Vorbereitung des Gefängnisdramas „I Want To Live!“ (1958) wohnte Wise sogar einer Hinrichtung bei, um die letzten Minuten einer zum Tode verurteilten Prostituierten möglichst realistisch nachzeichnen zu können. Das Filmemachen beschrieb er als „ständigen Lernprozeß“. Für seinen letzten Film, „Rooftops“ (1989), beschäftigte er sich mit der Kultur New Yorker Straßenkinder.

Der 1914 geborene Wise war 1933 zum RKO Studio gekommen, wo sein Bruder ihm einen Job in der Schnittabteilung verschafft hatte. Zunächst durchlief er eine Ausbildung zum Toncutter und war in den folgenden Jahren für den Musikschnitt berühmter Astaire/Rogers-Musicals wie „Top Hat“ oder „Carefree“ verantwortlich. Als Bildcutter arbeitete er anschließend unter anderem mit Orson Welles an „Citizen Kane“ und „The Magnificent Ambersons“.

1943 erhielt Wise einen Job in der unit des Produzenten Val Lewton, der im Auftrag des Studios eine Reihe von B-Filmen mit sehr bescheidenen Budgets herstellte. Häufig entstanden dabei Horrorfilme, die mit viel Phantasie Bedrohungen aus Licht und Schatten schufen und in den Suspense-Szenen vor allem die Reaktionen der Opfer zeigten. Später wird Wise für „The Haunting“ auf diese Erfahrungen zurückgreifen: Die Bedrohung geht nur von der Tonspur aus, während sich die ängstlich aneinandergedrängten Protagonisten in den riesigen Räumen eines Herrenhauses fast verlieren.

Sein Regiedebüt gab Robert Wise 1944 ebenfalls für Lewton: Regisseur Gunther von Fritsch war mit dem Drehplan von „The Curse of the Cat People“ in Verzug geraten, sein Cutter Wise löste ihn ab. Anschließend drehte Wise noch zwei weitere Filme für Lewton, ehe er bei RKO langsam zum A-Film- Regisseur aufsteigen konnte. In den Fünfzigern arbeitete Wise für 20th-Century Fox und für MGM, wo er vor allem Genreproduktionen aller Art drehte. Seit „Odds Against Tomorrow“ hat er die meisten seiner Filme selbst produziert und fand auch nach dem Zusammenbruch des klassischen Studiosystems bis in die siebziger Jahre hinein regelmäßig Arbeit. Mit dem Musical „The Sound of Music“ gelang ihm 1965 einer der größten Kassenerfolge in der Geschichte Hollwoods.

Als Nachlese einer Hommage des Münchener Filmfestes an den Regisseur zeigt das Zeughauskino im Juli 10 von Wise' insgesamt 39 Filmen. Diese Hommage wurde vom Bertz Verlag zum Anlaß genommen, jetzt die erste deutschsprachige Monographie über den Regisseur herauszugeben. Autor Lars-Olav Beier analysiert die einzelnen Karriereabschnitte, vergleicht die Filme und untersucht, welchen Einfluß Wise' Lehrjahre als Ton- und Bildcutter auf sein späteres Werk hatten.

Dabei vermeidet es Beier, Wise zum auteur zu stilisieren, und macht statt dessen das Filmemachen als kollektiven Arbeitsprozeß erfahrbar. In einem Interview gibt der Regisseur schließlich selbst erschöpfend Auskunft über den Herstellungsprozeß seiner Filme. Mit vielen Fotos und seltenen Reproduktionen von Storyboards und Produktionsentwürfen reichhaltig bebildert, ist Beiers Buch der gelungene Versuch, den berühmten Unbekannten auch dem deutschen Publikum vorzustellen.

Werkschau Robert Wise: „The Curse of the Cat People“, 8.7., 18.15 Uhr, weiteres Programm unter Telefon 21502127, Zeughaus- Kino, Unter den Linden 2

Lars-Olav Beier: „Der unbestechliche Blick – Robert Wise und seine Filme“. Bertz Verlag, 224 Seiten, 38 DM