Nachgefragt
: Keineswegs chaotisch

■ Zur Drogen-Selbsthilfe-Tagung

Delegierte von über 15 Initiativen aus der ganzen Republik trafen sich am Wochenende im Lidice-Haus in St. Magnus, um über die Perspektiven von Selbsthilfe im Bereich illegaler Drogen zu reden. Bestandsaufnahme und Erfahrungsaustausch standen auf dem Programm - erste Schritte zur Vernetzung der Initiativen. Erstmals gelang es, Selbsthilfegruppen mit unterschiedlichsten Ansätzen überhaupt an einen Tisch zu bekommen. Die taz sprach mit dem Mitveranstalter Jochen Blaschke vom „Freien Förderkreis zur Selbsthilfe ehemaliger Drogenabhängier Elrond e.V.“ über Tücken und Nutzen eines solchen Treffens.

taz: Warum ist die Zusammenarbeit zwischen den Selbsthilfegruppen im Bereich illegaler Drogen so schwierig?

Jochen Blaschke:Ich hatte auch Bedenken, daß sich die Leute wegen jeder Kleinigkeit streiten. Die Clean-Initiativen haben ja einen ganz anderen Ansatz als der „Junkies, Ehemalige und Substituierte Bremen e.V.“ (JES). Die, die Methadon bekommen, sind von denen genervt, die völlig abstinent leben und sie nicht ernst nehmen. Und für die Abstinenzler halten sich die Methadon-Substituierten nicht an die Spielregeln. Da gab es immer Grabenkriege.

Auch bei Ihrem Treffen?

Nein, die JES waren sehr diszipliniert, keine Bierchen nebenbei. Und die Abstinenzler waren nicht so dogmatisch und meinten am Ende zu den Substituierten: ,Alle Achtung, mit euch kann man ja richtig gut arbeiten.' Also konnten wir uns darauf konzentrieren, was unsere Gemeinsamkeiten sind. Wir haben alle die gleichen Probleme. Und von der Behördenseite gibt es nur Professionalisierungsangebote als Antwort.

Warum wollen Sie die nicht?

Weil wir dann keine Selbsthilfegruppen mehr sind. Die Betroffenen laufen von klein an durch Institutionen: Heim, Knast, Therapie. Die haben oft keinen Bock mehr auf professionalisierte Einrichtungen und Akademiker. Wir arbeiten billiger und flexibel. Bei uns ist eine Therapie nicht auf ein Jahr begrenzt, und dann fliegst du raus, weil die Kostenzusage ausgelaufen ist. Du findest bei uns keinen, der vier Jahre studiert haben, aber ich hab 15 Jahre Betroffenheitskompetenz.

Für die Formierung einer gemeinsamen Interessenvertretung hat am Wochenende allerdings nicht gereicht.

Nein, aber wir haben einen Anfang gemacht. Gegen die Ignoranz der Behörden wollen wir gemeinsam Forderungen formulieren. Deswegen war es auch gut, daß jemand vom Bundesgesundheitsministerium da war. Die haben uns unbürokratisch mit dem Finanzieren des Treffens geholfen. Daß wir dem gegenüber kein chaotischer Haufen waren, der sich anbrüllt, hat für das Selbstbewußtsein viel gebracht.

Fragen:Lars Reppesgaard