Es wird ein Bakunin-Denkmal geben - Beiträge zum Anarchismus, Teil 3

Rundumschlag

Es wird ein Bakunin-Denkmal geben – Beiträge zum Anarchismus, Teil 3

Haha, nun sitzt Ihr in der Klemme, meine lieben anarchistischen Verehrer? Der Bürgermeister von Carrara hat Eure Schnapsidee, für mich ein Denkmal zu errichten, ernst genommen und bietet Euch einen großen Marmorblock als Geschenk an mich an. An mich, Michail Alexandrowitsch Bakunin, 120 Jahre nach meinem Ableben.

Nun stört Ihr meine friedliche Suche nach der verlorenen Zeit und fragt mich um Rat, was Ihr damit machen sollt? Nein, ich will keinen neuen Grabstein. Dieser alte grobe Klotz hier auf dem Berner Friedhof paßt ganz gut zu mir. Aber man könnte ihn flachlegen. Ein Homo erectus anarchikos ist zum Ende Eures Jahrhunderts nicht mehr zeitgemäß. Flach auf der Erde liegend, wie ein gefallener Krieger, wäre mein Grabstein ein brauchbarer Tisch für Symposien, für Trinkgelage. Prosit! Laßt frei den Wodka kreisen zum Wohl der lebendigen Toten und nachgeborenen Lebenden! Auch die Letzten sollen wie die Ersten darniederliegen, hin und wieder. Eine humanitäre Übung zu Lebzeiten: Von Humus seid Ihr genommen, zu Humus sollt Ihr täglich werden! Mein Geist hilft Eurer Schwachheit auf. Auch Austern bringen einen schnell wieder auf Trab.

Marx bezeichnete mich damals als verkommenes Subjekt, als ich, kaum in Paris angekommen, wissen wollte, wo's die besten Austern gibt. Er wollte immer wissen, was er schreiben muß, damit er schnell an Lorbeer rankommt. Auf diese harten, bitteren Blätter, mit denen die Schlächter ihre Schmalzschüsseln und Schweinekopfsülzen dekorieren, war er irrsinnig scharf. Darum sitzt er immer noch – unbeweglich in einem ehernen Anzug auf dem Marx-Engels-Platz. – Was tun mit dem Marmorstein von Carrara? Marmor, Stein und Eisen bricht, aber Eure Lie-hiebe nicht? Zerbrecht Euch mal selber die Köpfe, ich bin doch nicht Euer Vordenker! Und Ihr seid keine Anarchisten, wenn Ihr meinen Namen für etwas so Anachronistisches wie ein unbewegliches Denkmal mißbrauchen wollt. Zerkloppt das Geschenk aus Carrara in kleine Reliquien-Stückchen und verschickt sie, meinetwegen mit Sprüchen von mir, als Teekessel-Steine an Anarchisten in aller Welt. Marmor verhindert Verkalkung, aber nur, wenn er nicht zu einem Grab-, Mahn- oder Denkmal verschandelt wird. Und nun laßt mich gefälligst in Ruhe. Vor Eurem Besuch hier an meinem Grab träumte ich gerade so schön von meiner Zeit als Artilleriekadett. Stellt Euch solche Verweigerung heute genau vor: Drei Jahre lang lag ich faul auf meinem Bett und phantasierte von Heldentaten in ferner Zukunft. Prost! Bärbel Jäschke

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