■ Die Anklage in Den Haag fordert Verhaftung von Karadžić
: In der Schuld der Opfer

Bislang haben die Ifor-Truppen vor den Bodyguards von Karadžić und Mladić kapituliert. Oder schlicht zur anderen Seite geschaut, wenn die steckbrieflich Gesuchten an ihren Kontrollposten vorbeifuhren. Die Ifor wird ihr Verhalten überprüfen müssen. Und das aus zwei Gründen: Die Anklage vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat die sofortige Verhaftung der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Karadžić und Mladić gefordert. Am Donnerstag dürfte das Tribunal den internationalen Haftbefehl ausstellen. Zeitgleich hat die OSZE, die die Wahlen in Bosnien organisiert, damit gedroht, die Regierungspartei der bosnischen Serben (SDS) von der Wahl in Bosnien auszuschließen, wenn Karadžić ihr Vorsitzender bleibt. Und damit der peinlichen Verhandlungstaktik des Bosnienbeauftragten Carl Bildt die längst überfällige Absage erteilt.

Es ist das Verdienst des Haager Tribunals, der Welt noch einmal die unfaßbaren Details der Massaker in Srebrenica vor Augen geführt zu haben. Säuglinge wurden mit dem Messer massakriert, Hunderte gezwungen, ihre Gräber selbst auszuheben, um dann von einem Bulldozer bei lebendigem Leib in das Massengrab geschoben zu werden. Söhne und Väter wurden zu gegenseitigen sexuellen Handlungen gezwungen, um in dieser Erniedrigung ermordet zu werden. Die Mehrzahl der gefangenen Männer wurde kaltblütig getötet. Fast ebenso erschütternd ist die Gewißheit, daß die UNO-Verantwortlichen einen Lufteinsatz gegen die vorrückenden Serben unterbanden, der dieses größte europäische Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg hätte verhindern können. Die Welt steht in der Schuld der Opfer. Die Zeugen haben die Verantwortlichen benannt.

Um Karadžić und Mladić an der Ausübung ihrer ebenso verhängnisvollen wie verbrecherischen Macht zu hindern, sind die nächsten Schritte überfällig. Das ist die Botschaft des Tribunals und der OSZE. Wenn Ifor-Kommandant Leighton Smith noch immer darauf beharrt, nur auf ausdrücklichen Befehl zur Verhaftung von Karadžić und Mladić zu schreiten, dann müssen die Garantiemächte des Dayton-Abkommens ihm diesen Befehl sofort erteilen. Wer zögert, macht sich mitschuldig. Georg Baltissen