Eine baldige Festnahme gilt als unwahrscheinlich

■ Anklage in Den Haag will internationale Haftbefehle gegen Karadžić und Mladić

Den Haag (dpa/taz) – Vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat die Anklage gestern die sofortige Verhaftung des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić und seines Armeechefs Ratko Mladić gefordert. Der zuständige Ankläger Mark Harmon warf den beiden vor, für „monströse Verbrechen“ verantwortlich zu sein. „Wir beschuldigen diese zwei Personen, den Völkermord in Bosnien-Herzegowina angestiftet, geplant und angeordnet zu sagen“, erklärte Harmon, „Verbrechen, die das Gewissen der Welt erschütterten.“ Es sei unverständlich, daß Karadžić und Mladić bisher noch nicht nach Den Haag gebracht worden seien.

„Daß die Opfer bisher nur in einer Anhörung im Rahmen des Vorverfahrens gehört werden konnten, ist eine Beleidigung von Tausenden von Opfern, die in diesem Krieg so schrecklich gelitten haben. Diese Beleidigung ist nun mit der leeren und zynischen Geste von Dr. Karadžić verbunden worden, der seine Anwälte nach Den Haag schickte, um sich über seinen Haftbefehl zu beschweren“, sagte Harmon in seinem Plädoyer.

Den Regierungen in Pale und Belgrad warf die Anklagebehörde vor, die ihnen bereits vor einem Jahr zugestellten Haftbefehle nicht ausgeführt zu haben. Gelegenheit dazu hätten sie durchaus gehabt. Der Ankläger forderte das Gericht auf, internationale Haftbefehle gegen Karadžić und Mladić zu erlassen. Das Gericht will am Donnerstag über den Antrag entscheiden. Beobachter rechnen fest mit der Ausstellung von internationalen Haftbefehlen gegen die beiden Angeklagten.

Das Tribunal selbst verfügt allerdings über keine Polizei, die den Haftbefehl ausführen könnte. Das Sondergericht ist auf die internationale Gemeinschaft angewiesen, die erst geringe Anstalten macht, gegen die beiden Angeklagten vorzugehen. Bisher hatte Chefankläger Richard Goldstone gleichwohl von einer „hervorragenden Zusammenarbeit“ mit der Nato und den Ifor-Truppen gesprochen. Doch jetzt haben er und seine Mitarbeiter anscheinend die Geduld verloren.

Ankläger Mark Harmon brachte die Völkergemeinschaft selbst auf die Anklagebank. Man solle später nicht zu dem Urteil kommen, „die Welt hatte die Möglichkeit, diese zwei mutmaßlichen Architekten des Völkermordes zur Rechenschaft zu ziehen, und sie hat nichts getan“, sagte er. „Dies wird die Opfer verfolgen und uns alle beschämen.“ Damit wollte er die öffentliche Meinung wachrütteln, den Druck auf die verantwortlichen Politiker zu erhöhen.

Chefankläger Richard Goldstone räumte jedoch ein, daß er eine Festnahme von Karadžić und Mladić in nächster Zeit für unwahrscheinlich halte. Ebenso wie die Richter tröstete er sich mit dem Gedanken, daß sich die Angeklagten zumindest bis ans Ende ihrer Tage nicht mehr sicher fühlen können. Richter Fouad Riad sagte: „Das gesammelte Beweismaterial behält seine Gültigkeit. Selbst wenn das Tribunal eines Tages nicht mehr existieren sollte.“

Die Serbische Demokratische Partei (SDS) soll nach dem Willen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) von den Wahlen in Bosnien ausgeschlossen werden, solange Karadžić Parteivorsitzender der SDS ist. Dies kündigte der für Bosnien zuständige OSZE-Vertreter Robert Frowick gestern in Stockholm an.

Die OSZE machte damit klar, daß sie im Gegensatz zum internationalen Bosnien-Beauftragten Carl Bildt auch das Amt des Parteivorsitzenden als ein öffentliches Amt betrachtet. In Den Haag angeklagte Personen dürfen laut dem Dayton-Abkommen keinerlei öffentliche Ämter bekleiden oder bei Wahlen kandidieren. gb