Bündnisgrüner Sturm auf die Rathäuser

■ In Konstanz gewinnt ein Grüner erstmals die Wahl zum Oberbürgermeister

Stuttgart (taz) – Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik hat ein Kandidat der Grünen bei einer Oberbürgermeisterwahl gewonnen. Am Sonntag wählten die Bürger von Konstanz am Bodensee den 47jährigen Rechtsanwalt Horst Frank zum neuen Rathauschef. Frank ließ seine christ- und sozialdemokratischen Gegenkandidaten weit abgeschlagen hinter sich.

Damit setzt sich der Erfolg der Grünen bei Kommunalwahlen in Baden-Württemberg weiter fort. Bereits drei Rathäuser im Südwesten werden von grünen Politikern regiert, mit Frank als Oberbürgermeister gelang ihnen nun zum ersten Mal auch der Sprung in eine größere Stadt.

In Baden-Württemberg werden die Rathauschefs direkt gewählt. Hier sind die Oberbürgermeister nicht, wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, reine Grußauguste, die in der Hauptsache repräsentative Aufgaben haben, sondern gleichzeitig auch die Chefs der Verwaltung. Wie kleine Könige thronen sie bisweilen in ihren Amtsstuben, ausgestattet mit Macht und guten Bezügen. Das ist es wohl auch, was das Amt so begehrt macht. Die Zahl der Bewerber für eine Bürgermeisterstelle wuchs in den letzten Jahren ständig.

Den Rekord an Bewerbern hat jetzt Konstanz aufgestellt: Dort waren im ersten Wahlgang am 23. Juni 27 Kandidaten und eine Kandidatin angetreten – darunter ein ehemaliger Soldat der Roten Armee, ein Sexshop-Besitzer und ein Österreicher.

Witz- oder Dauerkandidaten sind in Baden-Württemberg immer mit dabei. Helmut Palmer, ein Obsthändler aus der Nähe von Stuttgart, hat es auf diese Weise zu einem hohen Bekanntheitsgrad und vielen Wahlausgaben gebracht. Weil der wahlbesessene Obsthändler vor kurzem 65 Jahre alt wurde, darf er nun nicht mehr kandidieren.

Die hohe Zahl der Bewerber hat die Konstanzer Wähler offensichtlich verunsichert. Im ersten Wahlgang gingen nur 43,5 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen der Stadt am Bodensee, obwohl hier zum ersten Mal in Baden-Württemberg in einer Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern auch die EU-Bürger das Wahlrecht hatten. Bei der Wahl am vergangenen Sonntag lag die Beteiligung bei knapp über 50 Prozent.

Der grüne Coup von Konstanz hat Signalwirkung: Am 20. Oktober wird auch in Stuttgart der Oberbürgermeister neu gewählt. Bislang haben sich hier die beiden großen Parteien bei der Kandidatensuche schwer blamiert. Während die SPD immer noch sucht, entschied sich die Christdemokraten für einen Kandidaten, der es zwar schon immer werden wollte, den aber alle nur als Notlösung ansahen: den bisherigen Kulturbürgermeister Wolfgang Schuster.

Glänzend dagegen der Auftakt der Grünen: Mit ihrem schwergewichtigen Aushängeschild Rezzo Schlauch stellten sie wieder den Kandidaten auf, der schon vor acht Jahren gegen den damals wiederkandidierenden Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel immerhin über 20 Prozent der Stimmen holte. Schlauch plakatierte denn auch vor wenigen Wochen freudestrahlend sein erstes Wahlkampfposter: „Es soll Parteien geben, die erst nach der Wahl sagen wollen, wer kandidiert hat. Wir finden das übertrieben.“ Philipp Maußhardt

Siehe auch Seiten 10 und 11