Das Studium, Ware oder Wert an sich

■ Diskussionsabend der Gruppe Univision zum Thema „Zukunft der Hochschulen“ in der Akademie der Künste. Allgemeines Klagen über Defizite, aber wenige alternative Ideen

Wenn planloses Sparen die Hochschulsituation beherrscht, ist nicht viel Zeit, sich um das eigene Selbstverständnis zu sorgen. Wo Fachbereiche zusammengestrichen, Stellen gekürzt und verdeckte Studiengebühren erhoben werden, gerät die nötige Reform der Universitäten aus dem Blick, drängt die Frage nach dem Sinn von Bildung an den Rand. Die studentische Gruppe Univision wollte es trotzdem wissen und lud zu einem „Streitgespräch zur Zukunft der Hochschulen“ in die Akademie der Künste.

Am Montag abend sollte die Diskussion einmal nicht um Protestaktionen und Bibliotheksausdünnung, um Demonstrationen und verfehlte Finanzpolitik kreisen, sondern, wie Karin Krauthausen, Mitglied von Univision, bemerkte, „stärker inhaltlichen Positionen nachgehen“.

Schon das Plakat, das für die Diskussionsrunde „Wa(h)re Bildung“ warb, verhieß nichts Gutes. Ein Hirn wand sich im Einkaufswagen und illustrierte so die Schreckensvision, die die meisten Teilnehmer der Veranstaltung plagte: Bildung als wirtschaftlich verwertbare Ressource, gestützt auf die Vorbereitung für die Berufspraxis, wertvoll nur dort, wo sie dem vielzitierten Standort Deutschland dient.

Daß es um mehr gehen muß, darüber waren sich die Anwesenden – sechs Hochschulangehörige, ein Bildungspolitiker und ein Wirtschaftsvertreter – weitgehend einig. Allein die Frage, worin dieses „Mehr“ liegt, die war nicht leicht zu beantworten, und noch schwieriger war es, konkrete Vorschläge zu entwickeln. Gesine Schwan, Professorin am Otto-Suhr-Institut der FU, forderte ein „kulturelles Wissen“, das Zusammenhänge erkennen lasse, die eigenen Voraussetzungen reflektiere und sich durch „Kreativität“ auszeichne. Das klingt schön und zugleich vage, doch nur mit einem solchen Wissen, meinte Schwan, könne man „konflikt- und gewaltfrei“ in die Zukunft gehen.

Wer sich von den zwei Studierenden auf dem Podium greifbare Ideen versprach, hatte zuviel erwartet. Zwar wünschte sich Andreas Kahler vom Projektteam „Reformen“ der FU eine „Projektsituation“ für die Universität. Gemeinsames Forschen, wechselseitiges Lernen, bei dem die Dozenten nicht als alleinige Wissensinhaber dastehen, verbunden mit einem interdisziplinären Ansatz – das war Kahlers Vision, die sich um die Forderung erweiterte, die Studierenden – etwa durch Evaluationsprogramme – stärker an der Gestaltung der Hochschule zu beteiligen. Doch bei acht Teilnehmern auf dem Podium blieb dem Philosophiestudenten nicht viel Raum für seine Thesen, und die rhetorische Überlegenheit der Professoren tat ein übriges, seine Vorschläge in den Hintergrund treten zu lassen.

Ulrike Gonzales vom AStA der FU war da keine große Hilfe. Die Medizinstudentin hielt für den ganzen Abend ein einziges Argument bereit: daß sich die Dinge schon bessern, wenn nur die Besetzung der Hochschulgremien zugunsten der Studierenden verändert werde. Das mag richtig sein, für eine Vision aber reicht es nicht.

Die zu artikulieren verstand Eberhard Lämmert am besten. Ähnlich wie Kahler betonte der ehemalige Präsident der FU die Notwendigkeit des gemeinsamen Forschens, durch das die Lehrenden von den Studierenden lernen. Jeder Student müsse während seines Studiums mindestens einmal erleben, daß auch der Professor Dilettant sei. Eine „Verjüngung“ des Lehrkörpers sei notwendig, womit Lämmert weniger das tatsächliche Alter der Dozenten meinte als die Bereitschaft, das Wissen permanent zu erneuern.

Die Verbeamtung der Professoren erweise sich vor diesem Hintergrund als kontraproduktiv. Zudem wünschte sich der Literaturwissenschaftler kleinere Lerngruppen und eine intensivere Betreuung der Studierenden. Es klingt schön, Bildung als Wert an sich zu beschwören oder – wie Michael Daxner, Präsident der Oldenburger Universität – die Alltagsenthobenheit der Hochschulen zu loben. Daß dabei auch elitäres Denken im Spiel sein kann, darauf machte einzig Torsten Bultmann vom Bund demokratischer WissenschaftlerInnen aufmerksam. Wenn die These laute, daß Bildung mehr als Ausbildung sei, so schwinge leicht eine Überheblichkeit gegenüber dem Großteil der Bevölkerung mit.

Der Weg aus dem Elfenbeinturm, das hat die Diskussionsrunde einmal mehr gezeigt, ist steinig. Cristina Nord