Etat nach dem Prinzip Hoffnung

■ Haushaltsentwurf 97 basiert auf fragwürdigen Annahmen

Berlin (taz) – Der Haushaltsentwurf, den das Bundeskabinett heute verabschieden soll, baut nach Ansicht der Opposition auf das Prinzip Hoffnung auf. Theo Waigel hofft, daß das Wirtschaftswachstum 1997 sich rasant um 2,5 Prozent aufschwingt. Doch abgesehen von dieser fragwürdigen Annahme warnt der Haushaltsexperte der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Oswald Metzger, daß selbst bei guter Konjunktur die Steuereinnahmen nicht üppig sein werden. Die Unternehmen zahlten weniger Steuern, die besteuerbaren Einkommen wachsen nach moderaten Tarifabschlüssen unterdurchschnittlich, die Arbeitslosigkeit gehe auch in Wachstumsphasen kaum zurück.

Naiv sei daher auch Waigels Hoffnung, er müsse der Bundesanstalt für Arbeit keine Zuschüsse mehr zahlen. Desgleichen verschließe die Koalition die Augen vor dem Zinsrisiko. Bei voraussichtlich 830 Milliarden Mark Schulden, die der Bund bis Jahresende auftürmt, macht der Schuldendienst über 21 Prozent der Gesamtausgaben aus. Das ist der zweitgrößte Einzelposten im Etat. Wenn nun – das gilt als wahrscheinlich – der Zinssatz um ein Prozent steigt, braucht Waigel weitere 8,3 Milliarden Mark.

Für die Erfüllung der Maastricht-Kriterien hat Waigel nach Metzgers Einschätzung ohne die Länder gerechnet. Denn die nach dem Maastricht-Vertrag erlaubte Neuverschuldung von drei Prozent des Sozialprodukts bezieht alle Schulden der öffentlichen Hand ein. Die Länder aber werden ihre Verschuldung kaum drücken, wenn ihnen immer größere Lasten aufgebürdet werden und ihnen zugleich Einnahmen genommen werden. Die ostdeutschen CDU- Bundestagsabgeordneten forderten daher gestern auch Nachbesserungen des Haushaltsentwurfs.

Die Bündnisgrünen planen, über den Sommer ein eigenes Sparprogramm zu entwickeln und dem Waigelschen entgegenzusetzen. Metzger nennt den Abbau von Subventionen für Landwirtschaft, Kohle und Werften sowie die Abschaffung der 13. Monatspension für Beamte im Ruhestand als Beispiele. Nur über höhere Einnahmen durch Energiesteuern wollen die Grünen das Haushaltsproblem nicht mehr lösen. Nicola Liebert