KZ-Vergleich bringt Rot-Grün zum Platzen

■ In Hessen haben Grüne die vorletzte Koalition mit der SPD aufgelöst

Frankfurt/Main (taz) – Die vorletzte rot-grüne Koalition auf Kreisebene in Hessen ist am Montag abend geplatzt. Weil die SPD im Kreistag von Groß-Gerau einem Antrag der CDU zustimmte, mit dem der Abgeordnete Ozan Ceyhun (Bündnisgrüne) aufgefordert wurde, „unverzüglich“ sein Amt als Vorsitzender im parlamentarischen Ausschuß für Toleranz niederzulegen, kündigte die Fraktion der Bündnisgrünen ihr die Koalition auf. Ceyhun war sowohl im hessischen Landtag als auch im Kreistag schwer unter Beschuß geraten, weil er in seinem, in der Türkei erschienenen Buch „Ein Türke in Deutschland“ Asylbewerberheime mit den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten verglichen hatte. Und „Millionen von Deutschen“ hätten in den vergangenen Jahren dem barbarischen Morden der Rechtsradikalen und Rassisten „tatenlos zugesehen“. Für diese Äußerungen hat sich Ceyhun inzwischen „entschuldigt“, doch die Union im Landtag forderte gestern erneut die fristlose Entlassung des Bündnisgrünen aus dem Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit. Ministerin Margarete Nimsch (Bündnisgrüne) hatte Ceyhun, der seit fünf Jahren deutscher Staatsbürger ist und im Ministerium das Büro für Einwanderer, Flüchtlinge und ausländische Arbeitnehmer leitete, in der vergangenen Woche lediglich hausintern versetzt – bei gleichen Bezügen. Mit der Zustimmung zum Antrag der CDU habe die SPD „den Koalitionsvertrag gebrochen“, erklärte nach der Kreistagssitzung der Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Dirk Langolf. Die Sozialdemokraten hätten ein „abweichendes Stimmverhalten“ demonstriert, das – laut Koalitionsvertrag – nur nach Beschluß der regelmäßig tagenden „Koalitionsrunde“ hätte hingenommen werden können.

Einen solchen Beschluß, so Langolfhabe es aber nicht gegeben. Deshalb habe die Fraktion die Koalition mit der SPD umgehend für beendet erklärt. In der Debatte um den Antrag der CDU im Kreistag hatte sich Langolf für Ceyhun das „Recht auf freie Meinungsäußerung“ eingeklagt. Sein Appell an die Sozialdemokraten, den Antrag der CDU nicht ohne eine Anhörung des Betroffenen mit zu verabschiedenen, stieß allerdings auf taube Ohren. CDU und SPD forderten den nicht anwesenden Kreistagsabgeordneten Ceyhun geschlossen auf, den Vorsitz im Toleranzausschuß niederzulegen. Die SPD habe damit „ohne Not“ den Sprengsatz an die rot-grüne Koalition gelegt, sagte Langolf. Denn der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen May habe vor der Abstimmung gewußt, daß Ceyhun von sich aus habe zurücktreten wollen. kpk

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