Dienstende eines Diplomaten

Vermutlich wegen Sexismus hat das Auswärtige Amt den Botschafter in Kolumbien abberufen. Das ist der zweite solche Fall in einem Jahr. Nun sind die obersten Diplomaten „verunsichert“  ■ Von Dieter Rulff

Berlin (taz) – Wenn Bundesaußenminister Klaus Kinkel auf das plötzliche Dienstende des deutschen Botschafters in Kolumbien, Freiherr von Mentzingen, angesprochen wird, ist er nicht sonderlich mitteilsam. Dieser habe seinen Dienst quittiert, weil er „in einem Länderbericht Äußerungen getan und Wertungen abgegeben (hat), die zu mißbilligen sind“. Diese lapidare Erklärung gab das Auswärtige Amt Anfang Juni ab und erweckte damit die Neugier des PDS-Abgeordneten Winfried Wolf. Er wollte daraufhin wissen, mit welchen konkreten Vorwürfen der Botschafter abberufen wurde. „Der deutsche Botschafter in Kolumbien hat für die neueste Fassung des Länderberichts Kolumbien unangemessene Formulierungen gebraucht“, beschied das Ministerium nun kurz und knapp auf eine Kleine Anfrage hin. Ob sich Mentzingen denn „abfällig und menschenverachtend über die Rolle der Frau in Kolumbien äußerte“, hakte Wolf nach. Antwort: siehe oben.

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes ergänzte auf Nachfrage der taz lediglich, dem 64jährigen Diplomaten sei nahegelegt worden, um die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand nachzusuchen. Im übrigen seien die inkriminierten Äußerungen in einem internen Bericht enthalten gewesen. Informationen, wonach diese Äußerungen folgenden Wortlaut haben, wollte das Auswärtige Amt weder bestätigen noch dementieren: „Auch in Kolumbien werden Frauen mit zirka 50 Prozent der Bevölkerung gehalten. Vorwiegend finden sie Verwendung bei der Fortpflanzung, im Haushalt und und der Landwirtschaft.“ Zusammenfassend könne jedoch festgestellt werden, „daß Kolumbien nicht frauenfeindlich ist. Im Gegenteil erfreuen sich Frauen wegen ihrer Nützlichkeit und ihrer Armut und ihrer Bereitschaft, in risikoreiche Berufe vorzudringen, allgemeiner Wertschätzung.“

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ließ Mentzingen wissen, er habe die Lage der Frauen in Kolumbien „in ironischer Weise, jedoch zutreffend und in keiner Weise abfällig geschildert“. Zudem habe er auf Anfrage eine konventionelle Fassung des Länderberichtes unverzüglich nachgeliefert.

Gleichwohl reichte Kinkel bereits die unkonventionelle Fassung, er habe „unverzüglich die notwendigen Maßnahmen ergriffen“. Dies nahm der Außenminister auch für den ehemaligen Botschafter in Haiti, Günther Dahlhoff, in Anspruch. Den hatte er abgesetzt, nachdem bekannt wurde, daß er im November letzten Jahres gegenüber einer deutschen Parlamentarierdelegation zum besten gab, daß „die haitianische Frau immer will und der haitianische Mann immer kann“. Eines der Delegationsmitglieder war der PDS- Mann Wolf, der den Vorgang öffentlich machte und sich nun nach generellen Konsequenzen aus diesen Fällen erkundigte. Wolf zog seinerzeit den Unbill des Bundesaußenministers auf sich, hatte er doch „Äußerungen aus vertraulichen Hintergrundgesprächen“ an die Medien lanciert und solchermaßen den Botschafter fertiggemacht. Doch diese Verbalattacken Kinkels auf den PDS-Politiker haben seine Diplomaten offensichtlich wenig beeindruckt. Sie fühlen sich nunmehr, so lassen sie Kinkel via FAZ wissen, von ihrem obersten Dienstherren in Bonn nicht hinreichend in Schutz genommen.