: Der Sinn im Nonsens
Die 500. Ausgabe der „BeVau“ erscheint in „zitty“: „Das langlebigste Nonsensblatt der Weltgeschichte“ und ein eigener Humorkosmos ■ Von Kirsten Niemann
Mit der eigentlichen Redaktion der zitty haben die fünf Nonsens- Schaffenden der Berliner Verallgemeinerten (BeVau) nichts am Hut. Sie verstehen sich vielmehr als autonome Bastion, die ihre 14täglichen Doppelseiten bei einigen Jevern auf dem Stammtisch vorbereitet. Jeden Montagabend um 21 Uhr treffen sie sich in ihrer Wilmersdorfer Stammkneipe. Anwesend sind heute Michael Meissner (me), Manfred Hofmann (ho) sowie die Zeichner Christian Groß (kriki) und Jens Jeddeloh (jej). Ulrich Horb (uho) ist schon in die Sommerferien gefahren und deshalb entschuldigt. „Doch normalerweise kommen wir immer alle“, heißt es, „sonst ist der Montag gar kein richtiger Montag.“ Von der Gründercrew, die vor 23 Jahren die ersten BeVau-Seiten für den zitty-Vorläufer Hobo entwarf, ist mittlerweile zwar keiner mehr da – das letzte Gründungsmitglied war Erich Rauschenbach, und der schied 1990 aus – aber das macht nichts. Michael Meissner, ältestes aller BeVau-Fossilien, stieß nach der Devise „Was ihr macht, kann ich auch“ immerhin schon 1977 zur Truppe. Manfred Hofmann dachte sich kurz darauf dasselbe und schloß sich ein Jahr später an.
Doch ganz egal, wie viele Leute im Laufe der folgenden 20 Jahre ausgewechselt wurden, der schräge Humor des „langlebigsten Nonsens-Blattes der Weltgeschichte“ blieb immer der gleiche. „Wir haben immer peinlichst darauf geachtet, daß ein Neuzuwachs in unseren Humorkosmos hineinpaßt“, erklärt Meissner, „und der wird sich auch in den nächsten 23 Jahren nicht ändern.“ Höchstens der allgemeine Zeitgeist drumherum. Denn natürlich seien die Seiten mittlerweile nicht mehr so schweinisch wie zu Anfang. Doch das habe mit den Siebzigern zu tun gehabt, entschuldigt sich Meissner, damals sei das nun mal so gewesen.
„Außerdem“, entgegnet Hofmann, „sind wir mittlerweile in ein Alter gekommen, wo man diesen pubertären Schweinewitz einfach nicht mehr nötig hat.“ Da ist was dran, denn immerhin gehen die Jungs mittlerweile hart auf die 50 zu. Mal ehrlich, das Bild, das man von Stammtischhumoristen so hat, sieht doch folgendermaßen aus: Man stellt sich eine bierselige Stimmung vor, in der alle Beteiligten fünfe gerade sein lassen und sich bei ihren eigenen Witzchen krachend auf die Schenkel klopfen. Wer jedoch auf einem Stammtisch der BeVauer gerät, wird eines Besseren belehrt: „Früher haben wir meistens gemeinsam gearbeitet und nach ein paar Bierchen ein Brainstorming gemacht, aus dem die Witze entwickelt wurden“, erklärt Hofmann, „doch das hat sich nicht bewährt, wie meistens am nächsten Morgen zu sehen war.“ Mittlerweile arbeitet jeder an seinem eigenen Material, das am folgenden Montag den anderen vorgestellt wird. Die Vergabe von Sternchen, Kritik und Detaildiskussion entscheiden schließlich darüber, welche Gags veröffentlicht werden und welche nicht. Das muß nicht unbedingt lustig sein. Wie die Witzepolizei fallen sie übereinander her und werfen sich mitunter schon mal recht abenteuerliche Dinge vor.
Die Leute kennen sich offenbar aus mit Worten, denn hier geht man ihnen auf den Grund. „Dein Nonsens macht überhaupt keinen Sinn!“ heißt es da auf einmal oder: „Dein Humor ist an der Stelle gemogelt, das kann man so nicht stehen lassen!“ Manchmal wird es sogar richtig kleinlich: „Dieses Wort gefällt mir nicht. Entweder du änderst das um, oder du bekommst von mir nur zwei Sternchen!“ Auch die Frage, ob man sich als Pseudonym ausnahmsweise einmal „Spielberg“ nennen darf, führt zu längeren Diskussionen. „Kann man nicht!“ sagen die einen. „Die Freiheit nehm' ich mir“, sagt Kriki. Ob er damit durchkommen wird, kann man in den nächsten BeVau- Ausgaben verfolgen.
Manche Stücke werden Woche um Woche geändert und dann doch wieder abgelehnt. Irgendwann ist ein Text schließlich doch so geraten, daß er allen Beteiligten gefällt. Mit einem tiefen Seufzen kommt am Ende der Satz, auf den der Witzschaffende so lange hat warten müssen: „Na also, es geht doch!“
„Für unsere Leser wollen wir eben nur das Beste“, erklärt Kriki, der es diesen Montag wieder mal geschafft hat, die „eine nackte Dame des Quartals“ – die nun mal sein muß – zur Veröffentlichung zu bringen. „Bilder zu präsentieren und diese durch Texte zu neuem Leben zu erwecken“, so nennen die BeVauer das, was sie da seit über zwanzig Jahren betreiben. Dabei kann man auf unterschiedliche Weise vorgehen. Man kann die Bilder zeichnen, wie Kriki oder Jens Jeddeloh das tun; letzterer ist übrigens der einzige in der Runde, der freiwillig über sein Alter spricht („ich bin 36, und das erzähle ich gern“). Man kann sie auch schlicht „finden“, wie Meissner das vorsichtig formuliert. Oder aus uralten Büchern ausschnippeln wie Manfred Hofmann, der von den anderen deshalb auch liebevoll „der Bücherschänder“ oder „Fledderer“ genannt wird. „Ich schlachte sie halt aus“, pflegt Hofmann dann zu sagen. „Du weidest sie aus“, meint Jeddeloh. Kriki kann da nicht an sich halten: „Quatsch, Bücher haben keine Eingeweide, sondern eine Seele.“ Und das ist der Beginn des allwöchentlichen Brainstormings.
Abbildungen aus der 400. Ausgabe der BeVau vom Sept. 1992
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen