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■ Der Streit um Umweltschutzmaßnahmen rund um die Love Parade ist voll entbrannt. Innenverwaltung will nur für Sicherheit sorgen, Bezirk erklärt sich für nicht zuständig. Tierschützer haben Angst um Vögel

Der Streit um die Organisation der Love Parade ist in vollem Gange. Gestern erklärten sich alle Beteiligten als „nicht zuständig“ für die Umweltfragen und machten sich gegenseitig Vorwürfe.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hat dem besorgten Bürgermeister von Tiergarten, Jörn Jensen, mitgeteilt, daß für alle Fragen im Zusammenhang mit der Love Parade die Innenbehörde zuständig sei. Deren Beamte wollen sich aber ausschließlich um Sicherheitsfragen kümmern. Der Bezirk Tiergarten wiederum trifft aus Geldmangel „keine Vorbereitungen“, um mit dem Ansturm der erwarteten 500.000 Techno-Fans fertig zu werden. „Was sollen wir machen, wir sind jetzt schon Pleite“, sagte Jörn Jensen zur taz.

Die Veranstalter beharren unterdessen auf dem Minimalprogramm, mit dem sie die Bedürfnisse einer halben Million Raver ver- und entsorgen wollen: 60 Tresen, 24 Toilettencontainer, 1.000 Ordner und die Anweisung, keine „Werbeflyer“ auf die Tiergartenwiesen zu werfen.

Tatsächlich besteht aufgrund der zu erwartenden Besucherzahl und der neuen Marschroute durch den Großen Tiergarten Anlaß zur Sorge. Über 24 Trockentoilettencontainer mit jeweils zwölf Kloschüsseln können professionelle Veranstalter nur schmunzeln: „Das ist, als ob gar kein Klo dasteht“, sagte der Berliner Abteilungsleiter des größten Verleihservices Europas. Der „Berliner Toilettenprinz“ versorgte 100.000 Besucher des Genesis-Konzertes auf dem Maifeld — 500 Klos hatten damals nicht ausgereicht.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) warnte unterdessen davor, daß die Love Parade im Tiergarten zu gravierenden Umweltschäden führen könnte. Genau wie die „Arbeitsgemeinschaft im Tiergarten“ befürchtet er den Tod von Singvögeln, verwüstetes Unterholz und beschädigte Baumkronen. Die Veranstalter der Love Parade, kritisiert Christiane Bernhardt, seien zwar um die Sicherheit der Liebesparadierenden besorgt und hätten daher rund 1.000 Ordner engagiert, „die dafür sorgen, daß keinem der Raver die Zehen abgefahren werden“. Zum Schutz der Bäume hingegen, die in Ermangelung von Straßenlaternen den Schaulustigen wohl als Aussichtsmasten dienen werden, stehe niemand zur Verfügung. Im Gegensatz zu Bezirk, Senat und Veranstaltern wollen mehrere Umweltverbände daher aktiv werden. Bund, Grüne Liga, Agip und die Antitunnel GmbH trommeln eigene Leute zusammen, um provisorisch Bauleinen zu spannen und mit Hilfe guter Worte die ins Grüne Ausscherenden zur Räson zu rufen.

Machtlos dürften die Umweltschützer allerdings einem Phänomen gegenüberstehen, das laut Augenzeugen im vergangenen Jahr auftrat: Sie hatten beobachtet, daß nach dem Soundcheck ungefähr hundert tote Vögel auf der Straße lagen. Der Bund bestätigt, was auch Naturschützer aus den Bezirken Mitte, Tiergarten und Kreuzberg zu bedenken gegeben hatten: Bei 180 Dezibel können Vogeleier zerplatzen, Jungvögel, die noch nicht flügge sind, das Nest vorzeitig verlassen und an Herzschlag sterben. Eine Dezibel-Begrenzung gibt es für die Love Parade nicht. Eva Behrendt, Christian Füller

siehe Seite 23

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