Jelzin stellt ein nur vages Personalprogramm vor

■ Der russische Präsident verspricht Kampf gegen die Korruption auf allen Ebenen

Moskau (taz) – In einer Fernsehansprache, die zunächst nur in Ausschnitten gesendet wurde, bedankte sich Präsident Boris Jelzin gestern noch einmal bei seinen Wählern. Sie hätten es vermocht, „sich über Zweifel und Schwierigkeiten zu erheben und eine wirklich historische Entscheidung zu fällen“. Der müde und abgespannt wirkende Präsident verkündigte sodann, daß er im Interesse einer starken Regierung den amtierenden Premierminister Viktor Tschernomyrdin mit der Bildung auch der neuen Regierung beauftragt. „Ich glaube, Viktor Tschernomyrdin muß die Regierung leiten“, sagte Jelzin, der sich ansonsten nicht zu Personalentscheidungen äußerte. Allerdings deutete er Umbesetzungen an. „Initiativreiche, kompetente Profis“ sollten dem neuen Kabinett angehören. Er sei nicht „gegen Vertreter der einen oder anderen Partei in der Regierung“. Nur eine Voraussetzung sollten sie mitbringen: „Sie müssen ihre politischen Leidenschaften vergessen.“ Der Hinweis galt potentiellen kommunistischen Kandidaten. Wiederholt war davon die Rede, sie könnten die Ressorts Arbeit, Soziales und die Zuständigkeit für den militärisch-industriellen Komplex erhalten. Auch das Landwirtschaftsministerium wurde erwähnt. Ein Ressort, mit dem in Rußland traditionell in Ungnade gefallene Politiker betraut werden. Mit katastrophalen Folgen für die gesamte Volkswirtschaft. Die Kommunisten halten bislang hartnäckig an der Forderung fest, den Posten des Vizepremiers zu besetzen.

Das Aktionsprogramm, vom Präsidenten im Wahlkampf vorgestellt, werde bereits umgesetzt. Hauptrichtung seiner Arbeit sei daher der Kampf gegen Korruption auf allen Ebenen der Macht. Im Wirtschaftsbereich soll der Reformkurs beibehalten werden, allerdings mit „ernsthaften Korrekturen“. Konkreter wurde Jelzin nicht. Zu vermuten ist, daß an eine Subventionierung siechender Industrieunternehmen gedacht wird, um wenigstens nominell den Produktionsabfall zu stoppen. Desgleichen kündigte er eine Straffung seiner Präsidialadministration an. Aus informierten Kreisen sickerte durch, daß der Chef der Administration, Hardliner Nikolai Jegorow, kurz vorm Rausschmiß stünde. Klaus-Helge Donath