Heißer Herbst im Sommer versprochen

10.000 Gewerkschaftler probten gestern den Aufstand gegen die Privatisierungen der Regierung. Wenn Aznar weiter Sozialausgaben kürzt, wollen sie im Herbst das Land lahmlegen  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Die Zeit der Gespräche zwischen Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden scheint in Spanien vorbei. Die kommunistische Gewerkschaft CCOO und die sozialistische UGT fühlen sich von Regierungschef José Maria Aznar hintergangen: Dieser ziehe seine Privatisierungspolitik durch, ohne vorher Rücksprache gehalten zu haben. Auf einer Großveranstaltung haben gestern über 10.000 Betriebsräte und Funktionäre der CCOO und UGT erstmals gegen Aznar mobil gemacht. Der UGT-Vorsitzende Cándido Mendez und sein Kollege Antonio Gutiérrez von CCOO fordern von Aznar „einen sofortigen Stopp des Ausverkaufs der öffentlichen Unternehmen“. Sie befürchten den massiven Verlust von Arbeitsplätzen. Außerdem gebe die Regierung jegliche Möglichkeit aus der Hand, die industrielle Entwicklung Spaniens zu beeinflussen.

Aznar hält an seinem vom Ministerrat beschlossenen Plan fest. Um die Staatsverschuldung auf Maastrichtniveau zu senken, sollen alle öffentlichen Unternehmen in vier Schritten verkauft werden. Noch diesen Sommer sind die lukrativen Betriebe dran: der Erdölkonzern Repsol, die Erdgaslieferanten Gas Natural und Enagas, das Tabakmonopol Tabacalera und der Bankenverbund Agentaria. Es folgen die Elektrizitätswerke. Mit den verbleibenden Unternehmen wird es schwieriger, da sie saniert werden müssen. Unter ihnen die Werftindustrie und die Fluggesellschaft Iberia.

Die Pläne der Konservativen im Gesundheits- und Erziehungswesen lassen die Gewerkschaften ebenfalls hellhörig werden. Vom verstärkten Rückgriff auf private Kliniken und Schulen ist da die Rede. „Für finanziell Minderbemittelte werden Grundleistungen dann unerschwinglich“, sagt CCOO-Chef Antonio Gutiérrez.

Reizthema für die Gewerkschaften ist auch der Haushalt 1997. Mit der Währungsunion vor Augen sollen 30 Milliarden Mark eingespart werden. Wo genau, verschweigt die Regierung. Doch eines steht fest: Die Beamten, die bereits in den vergangenen vier Jahren zwei Nullrunden einstecken mußten, werden mit nur einem Prozent Lohnerhöhung abgespeist. Und die Sozialausgaben stehen mittlerweile auch zur Disposition. So goß José Barea, Direktor der Haushaltsstelle, gestern Öl ins Feuer. Die Renten würden nur für das nächste Jahr automatisch an die Inflation angepaßt, danach könnten nur noch Kürzungen die Rentenkasse retten. Noch wollen weder CCOO noch UGT von einem Generalstreik reden. Doch wenn Aznar so weitermacht, wollen sie ihm einen heißen Herbst bescheren.