■ Soundcheck
: Gehört: Gilberto Gil/Joao Bosco und Jimmy Sommerville

Gehört: Gilberto Gil / João Bosco. „Heiße Lambada-Rhythmen“ hatte ein NDR-Moderator noch am Nachmittag versprochen. Offensichtlich ließen sich von dieser schönen Aussicht noch einige versprengte Hanseaten zum abendlichen Konzertbesuch locken. Jedenfalls brandete eine Sintflut der Glückseligkeit durch die Musikhalle, als Gilberto Gil bei seiner Rundreise durch verschiedenste Stilistiken brasilianischer Musik endlich beim Haudrauf-Teil angekommen war: Ballermann-kompatible Versionen seiner Hits „Raca Humana“ und „Toda Menina Baiana“. Bei zynischen Konzertbesuchern konnte auch noch der Wunsch lautwerden, er möge doch „Macarena“ anstimmen. Was nicht heißen soll, daß der Abend nicht auch seine tollen Momente gehabt hätte: Bei João Bosco beschränkte sich das leider auf das erste Stück und die erste Hälfte des zweiten; spätestens nach dem Auflaufen seines Lead-Gitarristen war man außerhalb des Auditoriums besser aufgehoben – selbst Choro-Klassiker wie „Tico Tico Na Fubá“ und „Espinho de Bacalhau“ ruinierte der Mann durch sein Fachblatt-Workshop-mäßiges Gemucke. Bei Gil hingegen geriet der Choro-Teil – wie schon letztes Jahr – zum Höhepunkt des Abends. Ansonsten hat man schon bessere Gil-Konzerte gesehen, zum Beispiel letztes Jahr am selben Ort. Wobei der Mann auch dann noch Sympathieträger bleibt, wenn er den stumpfesten Schweinerock gniedelt. Dennoch hofft man, daß der Erfolg des Abends die Firma Jazz And More ermutigt, nächstes Jahr vielleicht mal jemand richtig Tolles zu hohlen. Chico Buarque zum Beispiel. Oder Domínguinhos. Oder Henrique Cazes oder das Quarteto Em Cy oder Lõ Borges...

Detlef Diederichsen

Gehört: Jimmy Somerville. Wenn das kleine, tanzwütige Gay-Symbol seine Songs ansagt, klingt seine Stimme maskulin, dunkel und eigentlich überaus gewöhnlich. Ernüchterndes Fazit seines Konzertes in der Großen Freiheit: Auch wenn der Ex-Bronski Beat und Communard Jimmy Somerville sein unüberhörbares Markenzeichen, die Fistelstimme, heute in weichgespülte Slow-Pop-Reggae-Lauge und lieblos aufgewärmte Evergreens eintaucht, klingt das lange nicht mehr so erfrischend, wie noch zu Anfang der Achtziger oder im neoklassizistischen Gewand der Communards.

Ein auf Nostalgie und Retro gestimmtes Publikum, optisch den Peter Maffay-Besuchern nicht mehr fern, stört das natürlich nicht. Und so geriet der Abend zu einem heiß umjubelten Desaster, dessen einziger Höhepunkt ausgerechnet noch sein größter Hit „Smalltown Boy“ im abgespeckten, anbiedernden „Unplugged“-Outfit darstellte.

Sonstiges Fazit: Somerville, schon immer für seinen hemmungslosen Hang zum Covern berüchtigt, covert nun auch noch sich selbst. Jeder Handgriff, wie das ach so aufregende Vorstellen der Musiker mit Solo-Einlage, wirkte so berechnet und nach Handbuch vollstreckt, daß der Rezensent seine Kritik auch schon vor dem Ereignis hätte verfassen können.

Timo Hoffmann