Bleifinger ohne Chance

■ Der Bremer Andreas Brag gewinnt mit seinem „Twike“ die Solar-Rallye „Tour de Ruhr“

Strahlender Sonnenschein. Die Sonnensegel sind ausgeklappt. Leise surren die Solarmobile durch die Landschaft. Nur so ist doch eine Solar-Rallye vorstellbar! Aber in diesem Sommer? Wind- und Wasserenergie boomen sicherlich, mit Solarkraft dagegen kann man doch keinen Blumentopf gewinnen. Andreas Brag hat ihn gewonnen, den Pokal der „Tour de Ruhr“, und damit einen von fünf Läufen zur deutschen Elektromobil-Meisterschaft.

Allerdings sind weder Sonnensegel noch Solarzellen auf dem Dach seines Twike, eines in der Schweiz produzierten Elektromobils. Er ist in der Klasse der Serienmobile gestartet. Diese Elektrofahrzeuge müssen zwischendurch an die Steckdose. In Bremen tankt der kleine Zweisitzer an der Uni-eigenen Solartankstelle, für deren Bau im wesentlichen Andreas Brags Verein, der „Arbeitskreis Elektromobile an der Universität Bremen e.V.“ (AEB), verantwortlich ist.

Bei der „Tour de Ruhr“ geht es nun im wesentlichen nicht um Schnelligkeit. Es gibt zwar ein Zeitlimit, aber gewertet wird nach dem niedrigsten Energieverbrauch für die Gesamtstrecke. Von Lünen, wo die nordrhein-westfälische Landesgartenschau stattfindet, ging es am letzten Freitag nach Dortmund, am Samstag nach Soest und am Sonntag nach Kamen. Am Nachmittag wurde dann die Stromuhr abgelesen – und Andreas Brag hatte gewonnen. Die Zweit- und Drittplazierten waren ebenfalls Twikes, also spielt da womöglich auch der Fahrer eine bestimmende Rolle? „Wer einen Bleifinger hat, hat keine Chance“, urteilt Fahrer Andreas Brag, dessen Gaspedal am Lenker sitzt. Vor allem beim Beschleunigen und an Steigungen steige der Verbrauch.

Der durchschnittliche Energieverbrauch ist jedoch erheblich geringer als der von Benzin-Autos. Marcus Esser, der Vorsitzende des AEB, rechnet vor, warum die E-Mobile im Zeitalter von Waldsterben und Treibhauseffekt eine relativ umweltfreundliche Verkehrs-Alternative sein könnten: „Der Twike benötigt vier bis fünf Kilowattstunden Strom für 100 Kilometer. Das entspricht einem halben Liter Benzin.“ Da der Strom auch noch bei der Solaranlage getankt werde, sei der Energieverbrauch sowohl gering als auch schadstofffrei. Selbst der Daihatsu-Transporter, den die Vereinsmitglieder selbst zu einem Elektrofahrzeug umgebaut haben, braucht lediglich 15 bis 20 Kilowattstunden. Mit ihm startete der Verein in der Prototypen-Klasse und wurde Achter.

Trotz der besseren Umwelt-Argumente sind die E-Mobile nach wie vor vielbestaunte Raritäten auf den Straßen. Marcus Esser sieht drei wesentliche Gründe, warum sich Twike oder der südbadische Hotzenblitz bislang nicht auf dem Markt durchsetzen konnten: Zum einen kosten sie zwischen 30- und 40.000 Mark, mindestens ein Drittel mehr als vergleichbare Benziner. Außerdem ist die Reichweite sehr begrenzt. Nach 50 bis 100 Kilometern müssen sie wieder an die Steckdose. Für weitere Reisen müssen die BesitzerInnen also in den Zweitwagen oder die Bahn umsteigen.

Bei politischer und wirtschaftlicher Förderung wären diese Probleme jedoch zu beseitigen, meint Esser. Fehlendes Interesse in Industrie und Politik seien der dritte und wichtigste Grund für die Stagnation in der E-Mobil-Produktion. Dabei könnten durch Massenfertigung und weitere Forschung der Preis gesenkt und die Qualität verbessert werden. So aber werden die Vereinsmitglieder auch weiterhin durch Informationsveranstaltungen und PRwirksame Ralleys für mehr Sonne im Verkehr werben – demnächst bei der „Hanse-Solar“, vom 7.-11. 8.in Hamburg. sg