Hardcore-Augstein

■ Das Punk-Fanzine „Trust“ wird 10 / Gefeiert wird heute im „Wehrschloß“

Eigentlich kommt es so gut wie nie vor, daß ein Fanzine den 10-jährigen Geburtstag erlebt. Meist geht den enthusiastischen Produzenten dieser im Alleingang hergestellten Hobby-Heftchen nach ein paar Jährchen das Geld oder die Lust aus. Das „Trust“ ist das erste Hardcore-Magazin der Republik, das offiziell diese Schallgrenze überschreitet.

Es überrascht, daß das Jubiläum in Bremen gefeiert wird. Eigentlich stammt das Heft mit der 2.000er-Auflage aus Augsburg. Aber schließlich steckt im Wort „Fanzine“ der Fan, die Einzelperson, die wichtiger ist als das Heft als Institution. Und wenn der Oberfan, in diesem Fall heißt er Dolf Hermanstädter, in Bremen feiern will, tut er das ohne Rücksicht auf stimmige Konzepte. Dolf ist als beziehungstechnischer Teilzeitbremer mit den Szene-Weggefährten der Bremer Konzertgruppe „Change“ eng verbunden, das genügt.

Seit 10 Jahre telefoniert und tippt Dolf, schafft Anzeigen ran und tütet Hefte in Umschläge. Das nennt der Fanziner „Shitwork“. Die lohnt sich für ihn und seinen Gründerkumpel Mitch noch immer, denn was in Fanzines steht, steht noch heute nirgends sonst. Dolf: „Bei uns spielen Anzeigen keine Rolle. Wir müssen keine Rücksichten nehmen.“ Schon gar nicht auf die Spielregeln des Rock-Journalismus. Bei Interviews wird gepöbelt, Bands müssen Biere testen statt zu reden. Bei den Plattenkritiken gehört der Verriß zum guten Ton. Ebenfalls zum Trust gehört der Eiertanz auf den Leserbriefseiten, wo mit herzerfrischender Subjektivität über Sexismus, Bandallüren und die immer wieder beschworene „Korrektheit“ debattiert wird. Je unsachlicher die Diskussion, desto größer der Unterhaltungswert der Erbsenzählerei. Denn letztlich sind es meist Spezialisteninfos, über die sich Eingeweihte streiten. Ein Erfolgsrezept, das unfreiwillig Fernsehserien kopiert. Sobald man durchsteigt, Eingeweihter ist, macht das Lesen doppelt Spaß.

Dolf selbst schreibt nur noch wenig. Er organisiert lieber und freut sich am von ihm Geschaffenen, stellt so die Infrastruktur für hungrige Einsteiger. „Du kannst bei uns schreiben, was du willst und soviel du willst. Deswegen kommen immer neue Leute, und die schreiben unverbraucht.“ Insofern gibt es auch keinen Stillstand beim Dinosaurier der Punkfanzine-Szene, auch wenn der formelle Rahmen sich niemals ändert. Trotzdem schmort man laut Dolf nicht nur im eigenen Szenesaft. Und deshalb wird sich auch die nächsten zehn Jahre am Trust nichts ändern. Dolf: „Es ist ja nicht so, daß wir nicht mehr Leute erreichen könnten. Wir wollen das einfach nicht.“!

Ab 21 Uhr im „Wehrschloß“

L.R.