piwik no script img

Siemens-Hochhaus soll Rathaus werden

■ Kaufverhandlungen kurz vor dem Abschluß / Doppelte Subvention für Siemens befürchtet

Ein „gläsernes Rathaus“ mit 10.000 Quadratmetern Bürofläche auf 16 Stockwerken direkt zwischen Bahnhof und Sögestraße – noch vor der Jahrtausendwende könnte so Bremens Verwaltung aussehen. Finanzsenator Ulrich Nölle steht offenbar kurz vor Abschluß des Kaufvertrags für das Siemens-Hochhaus am Herdentorsteinweg. Über den Preis im zweistelligen Millionenbereich soll bereits weitgehend Einigkeit bestehen, geklärt werden müssen lediglich noch einige Details wie die Zufahrt zur Tiefgarage. „Der Vertrag ist ausverhandelt. Mit unserem Neubau auf dem Uni-Ost-Gelände wollen wir im Frühjahr '97 beginnen. Wenn er fertig ist, wird das Hochhaus frei“, sagt Siemens-Sprecher Panten.

Schon vor acht Jahren hatte Siemens begonnen, mit dem Senat über eine Zusammenlegung der damals noch 13 über die Stadt verteilten Firmen-Standorte in einem Neubau zu verhandeln. Die Ampel-Regierung sagte Siemens schließlich das Gelände in Uni-Ost zu. Inzwischen sind die Erschließungsarbeiten weitgehend abgeschlossen. Allerdings konnte Siemens trotz intensiver Suche keinen Interessenten für das Innenstadt-Hochhaus finden. Und ohne diesen Verkaufserlös wollte Siemens den Neubau nicht finanzieren.

Tatsächlich sind die Bremer Büro-Mieten derzeit auf dem niedrigsten Stand seit vielen Jahren. Selbst in bester Lage gibt es große Leerstände, die Quadratmeter-Preise liegen unter 20 Mark. Und mit dem ehemaligen Postamt 5 steht bereits ein gewaltiges Bürogebäude in direkter Bahnhofsnähe leer. Da bleibt als einziger möglicher Käufer eines ganzen Hochhauses der Staat.

Der hat schließlich ein großes Interesse daran, daß Siemens seine Zweigniederlassung in Bremen mit derzeit noch 1.160 MitarbeiterInnen auf Dauer behält. Ein teurer Neubau scheint dafür die beste Garantie. Deshalb wurde bereits das Grundstück in Uni-Ost günstig zur Verfügung gestellt. Jetzt kommt mit dem Abkauf des Ende der 60er Jahre gebauten Hochhauses die zweite staatliche Unterstützung auf den reichsten deutschen Weltkonzern zu.

Dabei hat der seine Neubaupläne inzwischen bereits kräftig abgespeckt. Waren in Uni-Ost ursprünglich 28.000 Quadratmeter geplant, sollen nun nur noch 11.000 Quadratmeter entstehen. Und von den inzwischen nur noch drei Siemens-Standorten in der Stadt sollen lediglich zwei dort zusammengelegt werden. Das Fertigungs- und Servicezentrum in Gröpelingen mit seinen rund 150 MitarbeiterInnen bleibt bestehen.

Als doppelte Subvention will der für Behörden-Gebäude zuständige Staatsrat von Ulrich Nölle, Johannes Beermann, den Kauf des Siemens-Hochhauses aber keinesfalls verstanden wissen. „Wir haben ein massives Interesse an dem Haus“, sagt er. Schließlich würde Bremen mit dem Hochhaus endlich die Gelegenheit bekommen, die sehr zer-splitterte Verwaltung an einem zentralen Ort zu konzentrieren.

Im Erdgeschoß träumt Beermann von einem „Servicebereich wie bei einer Versicherung“. Vom Wohngeld bis zum Bauantrag sollen die BürgerInnen dort alle Behördengänge an einem Ort erledigen können. In den Stockwerken darüber könnten die Anträge mit kurzen Wegen weiterbearbeitet werden. Konkrete Vorstellungen, welche Behörden in das Hochhaus umziehen sollen und ob dies dann mehr oder weniger kostet als die bisherigen Mieten, gibt es noch nicht. Beermann: „Ich fange erst an zu planen, wenn wir das Haus haben.“

Eine Einstellung, die der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Geschäftsführer der IG Bau, Wolfgang Jägers, einigermaßen naiv findet. Er befürchtet, daß sich bei genauerer Untersuchung in dem Hochhaus womöglich „erhebliche Baumängel oder Asbest“ verbergen. Vor einem Kauf sollte deshalb auf jeden Fall ein Wertgutachten erstellt werden. Wolfgang Jägers: „Eine doppelte Wirtschaftsförderung für Siemens darf es nicht geben.“ Ase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen