Hamburger Kunst im Urlaub

■ „Art Medial“: Mediengalerist Thomas Wegner zeigt auf Mallorca 13 Stücke seiner Sammlung

Mehrmals täglich fliehen Hunderte Hamburger vor diesem winterlichen Sommer in den Süden. Häufiges Ziel ist eine spanische Insel, kaum mehr als zwei Flugstunden entfernt. Doch auf Mallorca gibt es mehr als nur Hotelburgen und Strandsuff: 25 Galerien und Kulturzentren listet das örtliche Verzeichnis auf.

So trafen sich letztes Juni-Wochenende norddeutsche und katalanische Kunstprominenz, um die Eröffnung der Art Medial zu feiern: Auf Einladung der Regionalregierung der Balearen wird erstmalig ein Großteil der einzigen europäischen Privatsammlung von Medienkunst gezeigt. Thomas Wegner, Hamburger Mediengalerist und 1993 Initiator der Mediale in Hamburg und der Electronic Art in Berlin, hat sie zusammengestellt.

Dreizehn komplexe Arbeiten von sieben internationalen Künstlern flimmern und tönen jetzt in der spätgotischen Hallenarchitektur der Llonja in der Innenstadt Palmas. Dabei wollte Wegner diese Kunst nur fördern, nicht sammeln. Das ergab sich beiläufig aus der Arbeit an der Mediengalerie: „Fabrizio Plessi baut ein 15 Meter langes Dach und keiner kauft es“, deutet Wegner die Eigendynamik an.

Verschiedene Kunsthäuser von Rotterdam bis Madrid hätten die Sammlung gerne gezeigt. Doch bisher konnte sich nur die Regionalregierung der nicht gerade armen Balearen entschließen, die hohen Kosten aufzubringen. Als Nebeneffekt erhofft sich das Ministerium mit der überregional bedeutenden Ausstellung einen Impuls für den schon länger betriebenen Imagewandel der Ferieninsel weg vom Massentourismus. Rund 180 000 Mark wurden bereitgestellt und die Objekte in vier 40-Fuß-Containern von Hamburg nach Palma verschifft.

Die Art Medial nutzt sehr gelungen die „Deichtorhalle von Mallorca“, die alte Seehandelsbörse von 1426. Freigeräumt von lästigen Stellwänden sonstiger Kunstpräsentation geben die einzigartigen gotischen Bauformen dem aus den TV-Monitoren flimmernden Licht jenen historischen Bezug zur mittelalterlichen Lichtmystik, der im benachbarten Dom die Glasfenster wie Fernsehschirme erscheinen läßt.

Zudem gibt es Bezüge zur naturwissenschaftlichen Forschung der frühen Neuzeit: Guillem Sagrera, Baumeister der Llonja, war Zeitgenosse Leonardo da Vincis. Auf diesen bezieht sich wiederum Klaus vom Bruch mit seinem durch den hohen Raum fliegenden Monitor der Installation „Jago“.

Technischen Fossilien des 20. Jahrhunderts gleichen die in frustrierter Sinnlosigkeit hyperaktiv rasselnden Rechenmaschinen des Römers Giovanni Albanese und die Kriegszubehör assoziierenden „Verdun-Stücke“ von Klaus vom Bruch. Die Technik als Überwinderin der Sprachverwirrung thematisiert „Le Metronome de Babel“ von Marie-Jo Lafontaine, die als zweite raumgreifende Videoskulptur die männliche Aggressionsspirale „Victoria“ zeigt.

Zwei Groß-Installationen auch von Fabrizio Plessi: die einst in Mallorca gefilmte „La Stanza del Mare“ mit ihren durch Treibholz verbretterten Meereswellen und „Paris-Paris“. Eher spielerisch dagegen die steppende Hose in Stephan von Huenes „Tischtänzer“-Maschine und die ironische „Turbo-Nase“ auf Rädern des amerikanischen Paik-Schülers Alan Rath.

Dominant ist der Vater der Videokunst, Nam June Paik: neben den witzigen Fernseherplastiken „Gertrude Stein“ und „Joseph Beuys“ steht zentral und riesig zwischen den hohen, spiralig gedrehten Säulen das medial aktualisierte asiatische Symbol der Weisheit und Unsterblichkeit: eine Schildkröte aus 166 Monitoren. Hajo Schiff

Llonja, Palma de Mallorca, bis 14. August, Eintritt frei