Die australische Wanderlust

■ Mehr als nur Didgeridoo-Folklore: Die australische Jazz-Szene zeigte sich bei einer Konzertnacht vielseitig und ideenreich

Kaum einer in Deutschland weiß um die Jazzszene unserer Antipoden, und so kamen zur „australischen Jazz-Nacht“ im Schlachthof deutlich weniger ZuhörerInnen als bei den anderen Veranstaltungen der Konzertreihe „Jazz und mehr“. Dabei boten die drei Bands und Interpreten guten, internationalen Jazz-Standard – und zum Schluß sogar einige ungewohnte Klänge und Mixturen.

Der einzige auch nur halbwegs bekannte Musiker an diesem Abend war der Pianist Mike Nock, und dies auch nur, weil er sich 20 Jahre lang in den USA als Begleitmusiker von Jazzstars wie Coleman Hawkins oder Michael Brecker einen Namen gemacht hat. Die Wandlungsfähigkeit und Stilsicherheit, die bei solch einer Karriere nötig sind, zeichneten denn auch Nocks Soloprogramm aus. Er wechselte scheinbar mühelos zwischen den verschiedenen Einflüssen und Stimmungen hin und her: von einer klassisch ausgeführten Ballade zu afrikanischen Rhythmen, von romantischen Schwelgereien, die an Chick Corea erinnerten, zu minimalistischen Melodieführungen mit der rechten Hand. Bei seinem rhapsodischen Schlendern war es schwer, eine ihm eigene Handschrift zu entdecken, außer daß alles sehr freundlich und melodisch klang.

Anders als im Programm angekündigt verstärkte Nock nach seinem Set leider nicht das Trio des Saxophonisten Bernie McGann, und dadurch klang dessen Musik bei aller Kunstfertigkeit nach einiger Zeit ein wenig einförmig. Dabei ist McGann ein ähnlich versierter und vielseitiger Instrumentalist wie Nock. Nur sein Stilcocktail aus Bebop, Latinjazz, Gillespie und Ellington wirkte hausbacken.

Bei dem Sextett „Wanderlust“ ist der Name Programm. Auch der Bandleader, Trompeter und Komponist Mike Bukovsky wandert mit seinen durchweg viel jüngeren Mitspielern durch die verschiedenen Musikkulturen und Stile. Diesen Eklektizismus hatten alle Musiker dieses Konzertes gemein. Aber hier war noch am ehesten ein eigener, origineller Sound zu hören. Meist basierend auf einem Funk-Groove spielt die Band verwegene Arrangements, bei denen nichts so klingt, wie man es erwartet.

So spielte der Gitarrist oft unisono mit dem Posaunisten oder Trompeter, wodurch ungewöhnliche Soundkombinationen entstanden. Die Soli wurden nie nach dem gängigen Schema aneinandergereiht, sondern immer mit einem besonderen Pfiff in die Kompositionen eingewoben. Vieles klang bekannt wie etwa das wie ein afrikanisches Daumenklavier eingestellte Keyboard oder die gestopfte Trompete a la Miles Davis, aber in solchen Verbindungen hatte man es noch nie gehört. Zudem gab die spürbare Spielfreude der Musiker dem Auftritt zusätzlichen Drive.

Und als der Posaunist James Greening sich schließlich auf den Boden setzte, um das Blasinstrument der Aborigines, das Didgeridoo, zu spielen, waren sogar noch für einige Minuten originär australische Töne zu hören.

Willy Taub