■ Normalzeit
: Gelebter Sozkap

Ende 1989 lernte ich den Sonntag-Redakteur Wolfgang Sabath kennen: Er war fünfzehn Jahre vor mir auf Ernteeinsatz in der LPG „Florian Geyer“ gewesen und hatte darüber geschrieben. Als die Ost-Zeit dann mit der Volkszeitung fusionierte und sich Freitag nannte, trat er in die PDS ein und seilte sich langsam in den Vorruhestand ab. Seitdem bedient er PDS-Bezirkszeitungen, die Berliner Linke und – bis zu ihrer Einstellung – die Weltbühne. Daneben stellt er Bücher zusammen: über „Gregor Gysi“ und eine Autotour mit seinen beiden Söhnen: „Als Ossi in Amerika“. In seiner BL-Kolumne schrieb er neulich: „Wer von kleinauf gelernt hat, Wohlbefinden fast ausschließlich nur als Resultat wirtschaftlicher Potenz zu sehen, wird kaum begreifen, wenn sich sogar Leute, denen es nachweislich materiell besser geht als vorher, in der neuen Republik nicht wohl fühlen.“

Während seiner „Reise zu unseren neuen Freunden“ (den Amis) fielen Sabath vor allem die Ähnlichkeiten mit der DDR auf: Das reicht vom „Sie werden plaziert“ und dem ungenießbaren Kaffee bis zu den „Bestarbeitern des Monats“. Auch viele Parolen waren ihm bekannt: „Jeder Mann an jedem Ort – einmal in der Woche Sport“, „Schöner unsere Städte und Gemeinden, mäh mit!“ und „Saubere Freibäder, saubere Zimmer! Meine Hand für mein Produkt!“ sowie „Den Angehörigen der bewaffneten Organe Chinatowns ein dreifaches Hurra, Hurra, Hurra!“

Merkwürdigerweise hat er einen kleinen Unterschied übersehen: daß bis auf die Schwarzen alle Amerikaner sozusagen freiwillig dort sind – in der DDR war es eher umgekehrt. Jedenfalls habe ich mal erlebt, wie eine Gruppe von Afrikanern mit dem Auto über den Checkpoint Charlie in den Westen fuhr, an der Ecke Friedrichstraße/Kochstraße hielt, im Kiosk dort eine Packung Negerküsse kaufte, und dann wieder in den Osten verschwand.

Aus dieser Differenz resultiert laut Michael Rutschky, daß „der Amerikaner“ zum Beispiel „sein Land“ überhaupt noch nicht in Besitz genommen hat, während der DDR-Bürger seines gerade Stück für Stück verliert. In den USA müßte deswegen der Hang zum „geschlossenen Handelsstaat“ ausgeprägter sein als jetzt hier, aber das Gegenteil ist der Fall: Die „Internationalisierung“ bedrückt die Kommunisten mehr als die Amis. Grad neulich meinte ein Lausitzer Bergwerksingenieur, jetzt ABM-Sanierer: Abgesehen von den vielen Ausländern mache ihm üperhaupt die wachsende Abhängigkeit vom Ausland Sorgen, „wenn es mal zu einem Konflikt kommt und die Gemüseversorgung aus Holland ins Stocken kommt, nachdem man die unsrige vollständig abgewickelt hat, das gibt doch eine Katastrophe“. Wolfgang Sabath sprach im Sonntag einmal von „Bankrotterklärung“, weil der Bezirksbürgermeister von Mitte 1990 zwei Berater aus Irland eingestellt hatte.

Während ich es kurz zuvor eher für eine Bankrotterklärung des Kommunismus gehalten hatte, daß die Modrow-Regierung 10.000 arbeitslose Italiener, die freiwillig in der DDR arbeiten wollten, abwies – und mich als Deutschen nicht! Die paranoide konkret-Redaktion sieht in der aus dem „Sozialismus in einem Land“ resultierenden PDS bereits eine „rechte Partei neuen Typs“ entstehen. Das ist übertrieben, gelungen ist dagegen (wie immer) Gremlizas Kritik an den Westlinken: Von der „Volxküche“ zur „Volxaktie“. Helmut Höge

wird fortgesetzt