Wagen 27 protestiert

Drei Humboldt-Studenten fahren den einzigen privat finanzierten Love-Parade-Wagen. Sie demonstrieren gegen die „planlose Sparerei“ an den Unis  ■ Von Karin Bundschuh

Der Spaß kostet ein paar Mark. Das schreckt Andreas und seine zwei Kumpels aber nicht ab: Sie fahren bei der Love Parade auf einem eigenen Wagen mit, als einziges privates Team zwischen so finanzstarken Giganten wie Camel oder dem Musiksender MTV. Die drei sind weder Söhne reicher Eltern, die dem Junior das wahre Event sponsoren. Noch sind sie fanatisch-exstatische Raver, die ihr Auto samt Steroanlage verkloppen, um sich einen Lebenstraum zu erfüllen. Andreas, Lars und Pat sind Studenten der Humboldt- Universität (HU) und gehören zur mehr oder weniger dogmatischen Linken. Sie wollen die Love Parade als das nutzen, was sie – der Müllbeseitigung wegen – offiziell ist: als politische Demonstration.

Schließlich gibt es einiges, woran man die 500.000 Raver auf der Straße und die Millionen MTV- Zuschauer, die der Live-Übertragung folgen, erinnern sollte, findet Andreas. Der Protest der HUler richtet sich gegen die „planlose Sparerei“ an den Universitäten, den Abbau von Studienplätzen, die Schließung von Fachbereichen, gegen Studiengebühren und den allgemeinen Sozialabbau. Andreas, von dem die Idee mit dem eigenen Wagen stammt, will inspiriert von einem Song der Band Public Enemy die „Party for your right to fight“ nutzen. „Wir wollen unsere Sorgen und Probleme auf undogmatische, nette und bunte Art rüberbringen“, erklärt der 28jährige Expunker. Er hofft darauf, daß ihr Wagen die Leute trotz „Drogenrausch und Glücksgefühl“ anregt, über diese Probleme nachzudenken.

Die Überzeugung, daß man „in der heutigen Zeit nicht nur auf love, peace und happiness“ machen kann, hat die drei in ein finanzielles Abenteuer hineingerissen. Zwar dürften sie mit dem niedrigsten Budget antreten (selbst ein winziges Plattenlabel will 26.000 Mark investieren), doch die Studenten kostet diese Aktion dennoch 7.000 Mark. Allein für die Startgebühr haben sie 3.450 Mark an die Veranstalter gezahlt. Hinzu kommt die Miete für den alten NVA-Laster und die Anlage, plus Dekoration und diversen Kleinkram.

Eigentlich sollte die nötige Kohle bei Sponsoren geworben werden. Pat, für diese Aufgabe zuständig, dachte an Parteien, Gewerkschaften und die Asten der drei Universitäten. Unterstützung hab es bisher aber nur aus dem eigenen Haus. Das Plenum der FU lehnte sofort ab. Der TU-AStA hat sich noch nicht entschieden. Die Parteien waren ebenfalls zurückhaltend: Schließlich sei gerade die Techno-Bewegung völlig unpolitisch. Andreas konnte zwar noch eine Stadtzeitung als Sponsor gewinnen, aber das Geld reicht trotzdem nicht. Andreas bleibt Optimist. Im Zweifelsfall muß der Zaster hinterher mit Soli-Feten eingetrieben werden.

Im Moment hat der energische Rotschopf noch andere Probleme. Eines ist das Wetter, das die Arbeit am Wagen zu einer naßkalten Angelegenheit werden läßt. Da macht es wenig Spaß, den militärisch- streng aussehenden Laster bunt anzusprühen. Die 15 Kilowatt-Beschallungsmaschine wird auf eine Tonne Sand gebettet, damit Lars alias DJ „The Chemist“ seine Musik nicht auf einem hüpfenden Plattenspieler auflegen muß. „Und wo ist außerdem der Stoff?“ Nein, nicht der aus Amsterdam ist gemeint, sondern der aus Baumwolle für die Transparente. Und überhaupt: Die Frau mit der Nähmaschine war gerade da, und keiner hat einen Termin mit ihr ausgemacht. Aber alle diese Widrigkeiten werden heute nachmittag vergessen sein, wenn Wagen Nummer 27 über die Straße des 17. Juni rollt.