piwik no script img

■ KommentarTechno im Wald

Schmierseife oder Fett? Die Polizei entschied sich für letzteres, stellte Leitern an die Schinkel-Laternen am Großen Stern und schmierte diese oberhalb von 2,50 Metern gründlich ein. Damit die Raver wieder flugs auf dem Boden der Tatsachen landen, sollten sie es wagen, die Abschlußkundgebung von Techno- Papst Dr. Motte von oben hören zu wollen. Weitere Sorgen bereiten die vielleicht zu knapp bemessenen Toiletten, was die Raver in den Tiergarten treiben wird, wo sie von Singvögeln getroffen werden, die wegen den 15.000 Watt bumm, bumm, bumm, tot vom Baume fallen.

Solcher Probleme muß sich angenommen werden, weil die Stadt so blöde ist, aus dem Techno-Spektakel eine Gartenparty zu machen. Im Joint-venture mit den Love-Parade-Organisatoren, versteht sich. Denn denen kann es ohnehin egal sein, wo die Parade stattfindet. An den weltweiten Übertragungsrechten für MTV, an dem eingetragenen Markenzeichen Love Parade verdienen sie sich dumm und dämlich.

Mit der Tanzroute betrogen sind auf jeden Fall die eigentlichen Gäste, die erwarteten etwa 500.000 Kids von Frankfurt (Oder) bis Aachen. Denn denen werden die Zuschauer fehlen, die abertausend Touristen und Berliner, die sich bisher auf dem Ku'damm die Augen aus dem Kopf staunten und denen man so begeistert zuwinken konnte. Die Raver werden in der Tat einen Haufen Speed brauchen, um in dieser idyllischen Tiergartenatmosphäre überhaupt in Stimmung zu kommen.

Ohne den Kontrast von schrillen Akteuren und biederen Voyeuren, ohne das Gedränge hinter den dicken Lastwagen, ohne den von den Häusern zurückschallenden Techno-Sound, schlicht: ohne das ganze Chaos ist die Techno-Parade im Wald ein Ringelpiez mit Anfassen. Was ein Anachronismus ist und damit zutiefst technofeindlich. Und erst recht ist mit dieser Route die Love Parade keine politische Demonstration. Denn wo gibt es denn so was, dort für den Frieden zu demonstrieren, wo es keiner sieht? Anita Kugler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen