Karadzic und Mladic weltweit isoliert

■ Nach der Ausstellung internationaler Haftbefehle verlangt das Kriegsverbrechertribunal von UNO und Nato die Festnahme der bosnischen Serbenführer. Doch die Ifor sieht dies nicht als ihre Aufgabe an

Den Haag/Sarajevo/Berlin (dpa/AFP/rtr/taz) – Der Präsident des UN-Kriegsverbrechertribunals, Antonio Cassese, hat von der UNO und der Nato die Festnahme des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić und des Armeechefs Ratko Mladić verlangt. „Die ganze internationale Gemeinschaft ist moralisch verpflichtet zu handeln“, sagte Cassese gestern in Den Haag. Wenn Karadžić und Mladić weiter ungestraft blieben, sei dies ein „sehr schlechtes Signal“ und eine „Botschaft der Ohnmacht“, meinte er. „Das würde heißen: Macht weiter! Tötet! Foltert! Die gesamte Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen wäre gefährdet.“ Cassese sagte, er habe den UN-Sicherheitsrat über die am Donnerstag gegen Karadžić und Mladić erlassenen internationalen Haftbefehle informiert. Seine Botschaft an den Sicherheitsrat laute: „Wir haben unseren Job gemacht. Jetzt ist es an euch als politisches Gremium, darauf zu antworten.“ Er sei zuversichtlich, daß früher oder später eine Aktion auf internationalem Niveau gegen Karadžić und Mladić unternommen werde.

Fragt sich nur, von wem. Ifor- Sprecher Max Marriner stellte gestern in Sarajevo klar: „Es ist weiterhin nicht die Aufgabe der Ifor, Karadžić oder Mladić aufzuspüren oder gefangenzunehmen.“ Auch Ifor-Kommandant Leighton Smith sagte: „Ich habe keinen Befehl, die beiden zu jagen, und werde dies bis zum Eingang einer anderslautenden Anordnung auch nicht befehlen.“

Das Mandat der Friedenstruppe sieht vor, daß die beiden mutmaßlichen Kriegsverbrecher bei einem Kontakt festgenommen werden können, wenn die Umstände dies erlauben – beispielsweise, wenn die Serbenführer an einem Ifor- Kontrollposten auftauchen und die Gefahr einer bewaffneten Auseinandersetzung begrenzt ist. Dies ist jedoch hochgradig unwahrscheinlich.

Bislang hatte das Tribunal die Haftbefehle an die Justizbehörden in Sarajevo, Pale und Belgrad weitergeleitet. Der serbische Präsident Slobodan Milošević war seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, die beiden zu verhaften und auszuliefern. Die Entscheidung von Donnerstag abend bedeutet, daß die wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagten Serbenführer von den Behörden jedes UNO-Staates festgenommen und ausgeliefert werden müssen, sobald sie das Land betreten. In der Bundesrepublik begrüßte Außenminister Klaus Kinkel die internationale Haftbefehle. Die Bewegungsfreiheit von Karadžić und Mladić im bosnischen Serbengebiet sei nun praktisch total eingeengt. Im Deutschlandfunk sagte Kinkel, die Verantwortung für die Auslieferung an das Tribunal liege bei der Regierung in Belgrad und der serbischen Teilrepublik in Bosnien. „Wir müssen durchaus auch sagen – und zwar deutlich und klar –, daß wir auch an Sanktionen denken“, fügte Kinkel hinzu. Auch die USA erinnerten Serbien an die Pflicht, beide Männer der Justiz zu übergeben.

Auf heftige Kritik stieß der Beschluß von Den Haag in Moskau. Ein hoher Beamter des russischen Außenministeriums erklärte, das Tribunal wandele sich „von einem Organ der Rechtsprechung zunehmend in eine politische und ideologische Struktur“. Ähnlich argumentierte der bosnisch-serbische „Regierungschef“ Gojko Klicković. Die Haftbefehle seien nur eine neue Posse des UN-Tribunals.

Meldungen, nach denen das Tribunal nun auch eine Untersuchung gegen den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević wegen Mitverantwortung für den Krieg im ehemaligen Jugoslawien fordert, wurden gestern relativiert. Tribunalpräsident Cassese erklärte, in dem von den Richtern verlesenen Text ihrer Entscheidung werde Milošecić nicht ausdrücklich erwähnt. Die Richter hätten nur angeregt, die mögliche Mitverantwortung von Personen „auf noch höherer Ebene als Karadžić und Mladić zu untersuchen. b.s.Kommentar Seite 10