: Birma ohne Heineken
Europas größte Brauerei, die niederländische Heineken, zieht sich nach anhaltenen Protesten und Boykottdrohungen aus Birma zurück ■ Aus Amsterdam Falk Madeja
Die Überschrift in der belgischen Zeitung De Morgen zum Thema Heineken in Birma war subtil: „EU, amnesty und Carlsberg sorgen sich über die politische Situation im früheren Birma.“ Die Anspielung galt Heineken, der größten europäischen und weltweit zweitgrößen Bierfirma. Heineken, so schien es monatelang, war die Menschenrechtssituation im südostasiatischen Myanmar völlig gleichgültig.
Unverdrossen kooperierte die in Amsterdam ansässige Brauerei mit den Militärmachthabern in Myanmar, die für den Einsatz von Sklavenarbeit und den brutalen Umgang mit der Opposition berüchtigt sind. Der Konzern investierte 30 Millionen Dollar in den Bau einer Braustätte, die irgendwann zwischen September und Januar das erste Bier ausliefern sollte. Gemeinsam mit der Firma Fraser & Neave hatte Heineken 60 Prozent an einem Joint-venture mit den Militärs übernommen, die über die Staatsfirma Unmehl die restlichen 40 Prozent hielten. Somit hätte die niederländische Firma direkt dafür gesorgt, daß sich die seit 1962 regierenden Diktatoren die Taschen füllen können.
Ein Sprecher der bislang eigentlich kaum bescholtenen Firma mußte vor Wochen im niederländischen Fernsehen einräumen, daß Zwangsarbeit in Birma an der Tagesordnung sei; zwar nicht beim Aufbau der Braustätte selbst, wohl aber beim Bau der Infrastruktur rund um die Bierfabrik. Der Heineken-Mann bestätigte, das alles mit eigenen Augen gesehen zu haben. Damit goß Heineken noch einmal Öl ins Feuer.
Ein Aufruf zum Boykott von Heineken in den USA drohte. Dort ist Heineken mit einem Umsatz von einer Milliarde Dollar das erfolgreichste Importbier. Andererseits sind die niederländischen Brauer in nahezu allen aufstrebenden Ländern Asiens präsent. Das Firmenmanagement glaubte sich vor die Wahl gestellt: entweder den lukrativen US-Markt oder die in Zunkunft mit Sicherheit mindestens ebenso oder sogar noch attraktiveren Märkte in Asien.
Anfang der Woche zog sich dann Carlsberg aus Birma zurück, nachdem dänische Menschenrechtsgruppen mit einem Boykott gedroht hatten. Darauf ging alles ganz schnell. Am Mittwoch veröffentlichte das eher konservative NRC Handelsblad auf der Titelseite eine harte Kritik der Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi an Heineken: „Carlsberg hat sich zurückgezogen? Das war ein sehr vernünftiger Beschluß. Heineken sollte das auch tun.“ Die Nobelpreistägerin bezichtigte im gleichen Atemzug die niederländischen Brauer der Falschaussage. Diese hatten angegeben, Aung San Suu Kyis Partei Nationale Liga kontaktiert zu haben: „Das ist eine Lüge. Niemand von Heineken hat mit uns gesprochen.“
Mittwoch abend ging Heineken in die Knie und gab den Rückzug aus Birma bekannt. Firmensprecher Koos Woltjes gab zu, man sei vor der öffentlichen Meinung in die Enge getrieben worden. „Es ist kein politischer Beschluß, sondern ein pur geschäftlicher.“ Noch habe der Absatz unter der Birma-Affäre nicht gelitten, vorbeugen sei aber besser als heilen.
Man habe geglaubt, eine Vorbildfunktion ausüben zu können; geplant sei gewesen, die Arbeitnehmer besser zu behandeln und zu bezahlen. Allerdings hatten Recherchen des NRC Handelsblad ergeben, daß jedenfalls beim Bau der Bierfabrik keineswegs bessere, sondern die ortsüblichen Gehälter gezahlt worden seien: 200 Kyat oder 2,25 Mark am Tag.
Die Menschenrechtsaktivisten reagierten begeistert: „Das beweist, das Aktionen gegen Birma Erfolg haben können“, so Simon Billenness vom ethisch geprägten Anlagefonds Franklin Development & Research Corporation. „Bislang waren es amerikanische und kanadische Firmen, die wir zur Einstellung von Investitionen in Birma bewegen konnten, darunter Pepsi, nun also auch europäische.“ Die Aktionen gegen Birmas Militärs nähmen die gleichen Formen an wie einst gegen Südafrika.
Inzwischen will offenbar die dänische Regierung nach der Ermordung von James Leander Nichols, Ex-Honorarkonsul verschiedener skandinavischer Länder sowie der Schweiz, in einem birmesischen Gefängnis die EU zu einem Boykott gegen Birma bewegen. Kommende Woche soll der US-Kongreß über einen Boykottantrag gegen Birma abstimmen.
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