Viren, Geld und Tod

■ Die zwiespältige Botschaft der Welt-Aids-Konferenz

Der Kampf gegen Aids tritt in eine neue Phase. Im 16. Jahr der Epidemie ist die Heilung, zumindest aber die Kontrolle dieser Krankheit sichtbar geworden. Die vielbeschimpfte Schulmedizin und ihr Wissenschaftsapparat haben großartige Fortschritte erzielt. Mit den neuen Medikamenten und der gleichzeitigen Bestimmung der Virusmenge im Blut kann HIV besser überwacht und möglicherweise auf Dauer in Schach gehalten werden. Dies ist die wichtige Botschaft der Welt-Aids-Konferenz von Vancouver.

Sie gibt Millionen Infizierten neue Hoffnung. Sie könnte das „Todesurteil Aids“ in ein erträgliches „lebenslänglich“ verwandeln. Aids als behandelbare chronische Krankheit. Noch ist dies eine wacklige Hoffnung, ein vorläufiges Aufatmen. Noch wissen wir nicht, mit welchen genetischen Tricks sich HIV gegen die neuen antiviralen Hemmstoffe wehren wird. Noch können wir nicht absehen, wie die Behandlungsbilanz nach zwei, drei oder zehn Jahren aussehen wird. Doch die bisherigen Ergebnisse der Kombinationstherapie mit jetzt neuen antiviralen Arzneien sind ermutigend.

Dennoch kann die Vancouver-Konferenz wenig Euphorie auslösen. Gerade in dem Augenblick, in dem ein großer Erfolg im Kampf gegen Aids zu feiern wäre, tritt die Kluft zwischen Arm und Reich brutaler hervor als jemals zuvor. Was bedeutet der nette Kongreßslogan „Eine Welt – eine Hoffnung“ für die Teilnehmer aus Sambia, Botswana, Simbabwe und Uganda? Es sind in Wahrheit zwei Welten, und die Hoffnung liegt allein in den Industrieländern. Nur jeder zehnte Patient wird die neuen Virenkiller bekommen. 30.000 Mark im Jahr für die neue Therapie sind für die meisten Infizierten dieser Welt unbezahlbar.

Während die einen über die medizinischen Erfolge jubeln, werden die anderen sterben. Die heftig geforderte Senkung der Arzneimittelpreise allein kann das Problem nicht lösen. Selbst 10.000 Mark im Jahr für jeden Infizierten sind im Zentrum der Epidemie nicht finanzierbar. Nur mit massiver westlicher Hilfe könnten die 50 Millionen Infizierten des Jahres 2000 gerettet werden. Spätestens jetzt wissen wir, wie billig ein Kondom ist. Das Versagen der Weltgemeinschaft bei Aufklärung und Verhütung kommt uns teuer zu stehen. Manfred Kriener