Bombenterror in Moskau

■ Innerhalb von 24 Stunden explodieren zwei Autobomben. Bürgermeister Luschkow beschuldigt Tschetschenen und kündigt außerordentliche Maßnahmen gegen sie an

Moskau (taz) – Zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden ist gestern in Moskau eine Bombe explodiert. Der Sprengsatz ging morgens um Viertel nach acht im Passagierraum eines Oberleitungsbussses der Linie 48 auf dem Prospekt Mira hoch. Ein Fahrgast starb, dreißig wurden verletzt, acht davon lebensgefährlich. Am Donnerstag vormittag war in der Fahrerkabine eines Busses derselben Linie auf dem Puschkinplatz im Stadtzentrum ebenfalls eine Bombe explodiert, die unter Tomaten in einer Aktentasche versteckt war. Der Fahrer hatte die im Passagierraum stehengelassene Tasche dummerweise in seine Kabine mitgenommen. Von beiden Bussen ist nur Schrott übrig. All diese Anzeichen deuten auf einen Zusammenhang zwischen beiden Anschlägen hin.

Moskaus Oberbürgermeister Juri Luschkow war gestern zwanzig Minuten nach der Explosion am Tatort. Seinen Worten zufolge hatte er am Donnerstag einen anonymen Anruf von einem Mann mit südlichem Akzent erhalten, der sagte: „Hör mal, wenn euch der Trolleybus nicht reicht, dann wartet auf die Metro an der Ringlinie.“ Der Oberbürgermeister erklärte, er habe nicht vor, Moskau „dichtzumachen“, es würden aber „außerordentliche Maßnahmen“ ergriffen, zum Beispiel „die Isolierung jenes Kontingents, das wir für besonders gefährlich halten“.

Ohne Zweifel spielte Luschkow dabei auf alle EinwohnerInnen Moskaus an, die aus dem Kaukasus stammen, vor allem auf die große tschetschenische Diaspora. Sprecher des Geheimdienstes FSB sagten, daß sie die Anschläge für das Werk tschetschenischer Terroristen halten. Es ist zu erwarten, daß sich die ethnischen Spannungen in der russischen Hauptstadt verschärfen werden. Die Bombenexplosionen fallen zeitlich zusammen mit einem Angriff der russischen Truppen in Tschetschenien und einer Gegenoffensive der Rebellen. Präsident Boris Jelzin nannte gestern bei der Amtseinführung des neuen FSB-Direktors Nikolaj Kowaljow die Situation in Moskau „alarmierend“ und bezeichnete die Hauptstadt als „von Terroristen verseucht“. Fachleuten zufolge könnten die Moskauer Anschläge aber auch eine Antwort auf die Kampfansage des neuen Sicherheitsratsvorsitzenden Lebed an die Unterwelt darstellen. Kurz nach dem zweiten Anschlag begann in Moskau ein Großeinsatz von Truppen des Innenministeriums.

Barbara Kerneck Siehe auch Seite 10