Info-Fleckfieber

■ Prinzip Irreführung: Das renovierte TV-Magazin "Gong"

Als Vertreter der reiferen Jahrgänge muß man sich regelmäßig befragen, ob die barsche Ablehnung gewisser Neuerungen und Modernitäten nicht vielleicht altersbedingter Mürbigkeit geschuldet ist. Das kann im vorliegenden Falle faktisch ausgeschlossen werden, denn Teile der Jugend, durch das Tragen aufgebockten Schuhwerks und warnfarbener Leibchen als schwer auf dem Quivive ausgewiesen, geben mir uneingeschränkt recht.

Das Gemäkel gilt meiner Fernsehzeitschrift, ein traditionsreicher und eher konservativer Titel, bis vor kurzem letzte Bastion solider Programminformation. Sie heißt zwar weiter Gong, doch die immer häufigere Verwendung eines Stilblüten-Patois, das wohl als juveniler Jargon durchgehen soll, kündete bereits an, was nun passiert ist: die Zeitschrift hat ihr Gesicht gewechselt. Angeblich um der vermehrten Übersichtlichkeit willen wurde das bislang durchaus überzeugende Layout neu gestaltet. Nunmehr scheinen die Programmspalten vom Fleckfieber befallen: hier ein Bildchen, dort ein Kästchen, und je abgelegener der Sendeplatz, desto notwendiger wird das Vergrößerungsglas.

Sogenannte Zeitschienen sollen trotz dieses Gewimmels Orientierung ermöglichen. Da erkennt man also eine randseitig plazierte fette rote 17 und beispielsweise den Titel einer italienischen Filmkomödie. Erst bei näherem Hinsehen gewahrt man den schon sehr dezenten Hinweis: „seit 16.15 Uhr“. Ich für mein Teil möchte freilich wissen, wann eine Sendung anfängt, nicht aber, wie lange sie schon läuft, wenn ich, durch meine TV-Zeitschrift in die Irre geführt, erst mit Verspätung zuschalte.

Grundsätzlich wähne ich mich in der Lage, mein Programm selber zusammenzustellen. Zweckdienlich wären umfassende Angaben, zum Beispiel über mitwirkende SchauspielerInnen und ihre Rollen, über RegisseurInnen und AutorInnen. Doch diese Daten werden seit geraumer Zeit nicht nur nachlässig aufbereitet, sondern mit Einführung der neuen Optik auch systematisch verknappt und durch pure Bevormundung ersetzt: Dröhnend möchte man mir angebliche „Fernseh-Highlights“ aufzwingen, zum Beispiel „Filme, die Sie nicht verpassen dürfen“ – den „Einschalt-Faktor“ gibt ein Kurzkommentar vor. Auch soll der „Tip der Redaktion“ befolgt werden, und suspekte, mir größtenteils völlige fremde Personen bekennen: „Das schaue ich mir heute an.“ Leider schaut sich nie jemand „Larry King live“ auf CNN an. Dann erführe ich, wann die Sendung beginnt – der „TV-Kompaß“ nämlich, der doch „einen deutlich besseren zeitlichen Überblick möglich“ machen soll, verrät es leider nicht. Harald Keller