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Ross Perot nimmt den zweiten Anlauf

Der Milliardär und Polit-Exzentriker aus Texas will doch noch US-Präsident werden. Vor allem der Republikaner Dole muß sich Sorgen um seine potentiellen Wähler machen  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Er kandidiert. – Er kandidiert nicht. – Er kandidiert. – Er kandidiert nicht.

Er kandidiert doch, und zwar in altbekannter Manier: In Fernseh- Talkshows gab Ross Perot, Amerikas reichster Polit-Exzentriker, Ende letzter Woche bekannt, daß er erneut in den Präsidentschaftswahlkampf einsteigen wird. „Das amerikanische Volk will mich“, lautete, in aller Demut und Bescheidenheit, seine Begründung. Monatelang hatte der texanische Milliardär, der 1992 trotz eines wirren Wahlkampfes und einer ausgeprägten Vorliebe für skurrile Verschwörungstheorien immerhin 19 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, erklärt, daß er sich auf den Aufbau seiner Reformpartei konzentrieren und als Spitzenkandidaten einen „zweiten George Washington“ suchen wolle. Am Ende genügte ihm offenbar der Blick in den Spiegel.

Perots zweiter Auftritt in einem Präsidentschaftsrennen hat die Wahlkampfteams der beiden Hauptkontrahenten, Bill Clinton und Bob Dole, in eifrige Rechenarbeiten gestürzt. Laut Meinungsumfragen würden derzeit 15 Prozent der Wähler dem Texaner ihre Stimme geben. Vor vier Jahren war er der Königsmacher für Bill Clinton, weil ihm vor allem potentielle Bush-Wähler ihre Stimme gaben. Vier Jahre später zieht er nach Angaben der Demoskopen sowohl Anhänger des Clinton- als auch des Dole-Lagers auf seine Seite. Dem republikanischen Herausforderer bereitet Perot allerdings mehr Kopfzerbrechen als dem Präsidenten.

Um im November überhaupt eine Siegeschance zu haben, muß sich Dole erstens blitzartig in einen formidablen Redner verwandeln und zweitens jene Wähler für sich gewinnen, die sich derzeit weder den Demokraten noch den Republikanern, sondern dem immer größer werdenden Lager der unabhängigen Wähler zuordnen. Beim Buhlen um die Gunst der „Independents“ erwächst Dole nun die Konkurrenz von Perot. Mit seinem fiskalischen Konservativismus, seiner eher moderaten Position in sozialpolitischen Fragen und seiner schillernden Persönlichkeit bedeutet Perot weit mehr Gefahr für Dole als für Clinton.

Um die nötigen Finanzen braucht sich der Texaner keine Sorgen zu machen: Aufgrund seines beachtlichen Abschneidens 1992 hat er dieses Jahre Anspruch auf staatliche Wahlkampfgelder in Höhe von 29 Millionen US-Dollar.

Allerdings stellt sich, vier Jahre nachdem Ross Perot dem Zweiparteiensystem einen Warnschuß vor den Bug verpaßt hat, auch für ihn die Situation etwas anders dar. Interne Konkurrenz ist dem 67jährigen Boß eines Software-Imperiums fremd – doch genau die erwächst ihm in Gestalt des ehemaligen Clinton-Anhängers Richard Lamm. Lamm hatte zwei Tage vor Perots Talkshow-Auftritt seine Kandidatur für die Präsidentschaftsnominierung der Reformpartei erklärt. Im Gegensatz zu Perot hat der ehemalige Demokrat politische Erfahrung und Reputation. Von 1975 bis 1986 amtierte der heute 60jährige Jurist als Gouverneur des Bundesstaates Colorado, wo er sich unter anderem einen Namen als Umweltschützer und Wachstumskritiker verschaffte. Von der Washington Post bis zum Wall Street Journal kommentierte die US-Presse Lamms Premiere auf der nationalen politischen Bühne durchweg positiv.

Tatsächlich präsentiert sich Lamm wie seinerzeit Perot als einsamer Rufer in der Wüste. Drückte der Texaner vor vier Jahren dem Wahlkampf die Staatsverschuldung als Hauptthema auf, so warnt Lamm heute, daß weder die staatliche Altersversorgung noch die Krankenversicherung für Senioren im gegenwärtigen Zustand aufrechtzuerhalten sei. „Amerika muß an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend nicht fragen, was es will, sondern was es sich leisten kann“, erklärte Lamm.

Sowohl Bill Clinton als auch Bob Dole vermeiden es trotz aller Dringlichkeit tunlichst, diese Fragen anzusprechen. Senioren stellen in Washington eine der stärksten und zahlungskräftigsten Lobbygruppen dar, und bei Bürgern im Rentenalter liegt die Wahlbeteiligung höher als bei jüngeren Bevölkerungsgruppen.

Doch Lamms berechtigte Warnungen vor haushaltspolitischen Krisen werden überschattet von seiner notorischen Neigung zu apokalyptischen Prognosen über Immigration, Überbevölkerung und den Wunsch der Menschen, möglichst lange zu leben. In Colorado brachte ihm das seinerzeit die Spitznamen „Gouverneur des Untergangs“ und „Rocky-Mountain- Kassandra“ ein.

Mit der Notwendigkeit der Kostenersparnis im Gesundheits- und Sozialwesen begründete Lamm in der Vergangenheit seine Befürwortung der Euthanasie und seine Opposition zur Behindertenförderung. „In einer Welt der begrenzten Ressourcen muß man sich fragen, ob es Sinn macht, jährlich 10.000 Dollar in ein Kind zu investieren, damit es lernt, sich im Bett umzudrehen“, sinnierte er 1983. Ein paar Tage später fanden sich mehrere Behinderte in einer Protestaktion im Vorzimmer seines Gouverneurssitzes ein, um sich demonstrativ und kostenlos auf dem Teppich zu rollen.

Im Rennen um die Nominierung der Reformpartei gilt Lamm jedoch als Außenseiter, zumal Ross Perot den parteiinternen Wahlprozeß kontrolliert. In einem höchst komplizierten Verfahren sollen sich die Teilnehmer des Parteitags der Reformpartei an zwei Tagen versammeln: am 11. August in Long Beach in Kalifornien und am 18. August in Valley Forge in Pennsylvania. Teilnehmen können nicht nur die physisch Anwesenden, sondern auch alle Delegierten, die sich per Computer zuschalten.

Bis dahin dürften die US-Medien Perot wie Lamm reichlich Gelegenheit zur Selbstdarstellung verschaffen – schon allein, weil Bill Clinton und Bob Dole sich derzeit alle Mühe geben, im Wahlkampf in inhaltlichen Fragen deckungsgleich zu bleiben.

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