Russische Truppen riegeln Dörfer ab

■ Konflikt in Tschetschenien eskaliert. Sprengstoff in Moskau gefunden. Behörden verstärken Sicherheitsmaßnahmen

Moskau/Bonn (dpa/AFP) – Nach den jüngsten russischen Angriffen auf südtschetschenische Orte droht auch im Osten der Kaukasusrepublik eine Eskalation. Russisches Militär riegelte mehrere Orte im osttschetschenischen Bezirk Kurtschaloi und in den südlichen Bezirken Wedeno und Schali fast vollständig ab, meldete die Nachrichtenagentur Interfax.

In Gechi im Bezirk Urus-Martan begannen die Russen unterdessen mit Ausweiskontrollen. Das Militär vermutete dort bis zu 400 Rebellen. Auch das Dorf Meschketi war weiter eingekesselt. Bei den jüngsten russischen Angriffen auf die Ortschaft, in der das Hauptquartier von Rebellenchef Selimchan Jandarbijew vermutet wird, waren nach Angaben einer tschetschenischen Untersuchungskommission 25 Zivilisten getötet worden.

Aus Machkety befreiten die Russen am Samstag nach eigenen Angaben 14 Geiseln. Es handele sich um tschetschenische Zivilisten und sechs Milizionäre.

Rebellenchef Jandarbijew machte weitere Verhandlungen mit den Russen abhängig von der bedingungslosen Erfüllung der Waffenstillstandsvereinbarungen und einer scharfen Kontrolle durch die Vereinten Nationen.

Der Sekretär des Sicherheitsrates, Alexander Lebed, betonte, Tschetschenien sei Teil des russischen Hoheitsgebiets. Vermutungen, für die Anschläge auf zwei Moskauer Oberleitungsbusse seien Tschetschenen verantwortlich, teile er nicht.

Die Bundesregierung forderte am Samstag ein Ende des Krieges in der Kaukasusrepublik. Außenminister Klaus Kinkel (FDP) verlangte eine Autonomieregelung für die Region innerhalb Rußlands. Kinkel sagte der Bild am Sonntag, er habe sich bei der irischen EU-Ratspräsidentschaft dafür eingesetzt, daß die Europäische Union „mit dem Gewicht ihrer 15 Mitgliedstaaten schnellstmöglich in Moskau vorstellig wird“. Der Konflikt könne nur durch eine politische Lösung beendet werden.

US-Vizepräsident Albert Gore, der am Samstag in Moskau eintraf, sagte zu den erneuten Kämpfen, die USA wünschten, daß sich die Russen und die Separatistenführung wieder an den Verhandlungstisch setzten und einen Waffenstillstand verkündeten. Die amerikanische Position wolle er Jelzin bei seinem heutigen Treffen bekanntgeben.

Unterdessen haben haben Sicherheitsbehörden erneut Sprengstoff an einer Bushaltestelle in Moskau gefunden. Das meldete die Nachrichtenagentur ITAR- TASS. Unbekannte hatten am Freitag den zweiten Anschlag auf einen Bus innerhalb von 24 Stunden verübt. In Moskau wurden die Sicherheitsmaßnahmen drastisch verschärft. 1.000 zusätzliche Soldaten sowie Antiterroreinheiten kontrollierten öffentliche Verkehrsmittel, besonders die Metro.

Zu den Anschlägen bekannte sich zunächst niemand. Die tschetschenische Separatistenführung wies eine Beteiligung an den Anschlägen zurück.