■ Management fuhr Ost-Motorräder in den Graben
: Nieten in Lederkluft

Die alte Maschine ist rauh behandelt worden, jetzt hat sie den Geist aufgegeben. MuZ, die älteste deutsche Motorradfabrik im sächsischen Zschopau, ist offenbar tatsächlich am Ende. Gefährdet sind auch die letzten 170 von einstmals 3.000 Arbeitsplätzen. Doch warum geht das Traditionsunternehmen sechs Jahre nach der Wende doch in die Pleite? Sind die Löhne in Sachsen zu hoch? Hat etwa die IG Metall den Motorradhersteller gekillt ? Oder haben böse West-Unternehmen intrigiert, um den lästigen Konkurrenten vom Markt zu fegen?

Nichts von alledem. Die Motorradfirma ist an einem hanebüchenen Managementkonzept gescheitert, mit dem man auf keinem Markt hätte reüssieren können. Den Bossen in Zschopau fehlte vor allem das Bewußtsein für ihr Produkt. Aus einem robusten alten Zweitakter läßt sich eben nicht über Nacht ein Schickimicki-Designer-Feuerstuhl machen.

Dieses Imageproblem war hausgemacht: Die alten Kunden, die in erster Linie ein preiswertes Fortbewegungsgerät wollten, ließen sich nicht für das neue, viertaktige Statussymbol begeistern. Die neuen Kunden fanden das Angebot aus Zschopau zu teuer. Kein Wunder, daß die Massenbestellungen ausblieben. Lieferschwierigkeiten beim Zubehör vergraulten schließlich selbst Liebhaber.

Gab es eine Alternative zum Versuch, den einst größten Motorradhersteller der Welt zum Nischenhersteller umzumodeln? MZ-Motorräder mit der Hilfe ostdeutscher Ingenieure in Indien, Malaysia oder China zu bauen hätte möglicherweise auch zweihundert Arbeitsplätze gesichert, aber kaum Steuergelder gekostet.

Das Schlimmste aber: Das Management war sich offenbar nicht einmal seiner Nischenstrategie sicher. Auch als die Designermodelle schon gebaut wurden, drückte die Firma imagefeindlich noch mit Dumpingpreisen Motorräder auf die Massenmärkte in der Dritten Welt. Lange angekündigte Flitzer wurden nicht rechtzeitig zur Motorradsaison fertig.

Bleibt eigentlich nur die Frage, warum der Freistaat Sachsen, die Bundesregierung und die Banken jahrelang Geld für ein solches Konzept, ein solches Management bereitstellten. Hermann-Josef Tenhagen