„Klugscheißer“ unerwünscht

■ Unsanfte Begegnung einer Berliner Gruppe mit Jugendlichen auf dem Strand der Insel Rügen

Anfang Juni war's, und der Wetterbericht versprach heiße Tage. Ein willkommener Anlaß für sechs BerlinerInnen, für ein Wochenende ans Meer zu fahren. Auf Rügen ließ sich zunächst alles locker an, wie erwartet. Stellplatz für den Bus suchen, und ab an den Strand nördlich vom Seebad Binz. Noch am Samstag abend saß die ganze Gruppe dort auf den Kieselsteinen. Plaudernd, Wein und Bier kreiste. Markus, eigentlich eher Kreuzberger Grunge-Rock-Fan, zupfte sogar einige Folksongs auf der Gitarre im Windschatten von ein paar größeren Felsen.

Als es schon zienlich dunkel war, kamen fünf Kerle vorbei, alle knapp unter 20 Jahre alt. Kurze Haare, aber keineswegs Glatzen. „Völlig normal angezogen“, erinnert sich Roby, „weite weiße Tarnhosen oder Jeans, Baseballcaps.“ Ihr Ton allerdings war aggressiv: „Was hier so alles am Strand rumlungert“, tönte es aus der Gruppe. Auch irgendetwas mit „langhaarig“ war über die fünf Meter Distanz zu vernehmen – wohl auf Robys schon etwas schütteren Pferdeschwanz und die Dreadlocks von Dagmar gemünzt.

„Jungs, was gibt's für Probleme?“ fragte schließlich Markus und kam samt Gitarre hinter seinem Stein hervor. „Wir ham' keine Probleme, aber du kannst eins haben, wennde willst“, kam es von einem etwa 18jährigen aus der Fünfergruppe zurück. Sie rückten näher. „Meine Güte, bleibt ruhig, ist doch genug Platz am Strand“, versuchte es Markus noch einmal. „Auf Klugscheißer wie dich hab' ich aber kein' Bock“, meinte der 18jährige und gab Markus einen Stoß. Der ließ die Gitarre fallen.

„Nun ist gut“, rief Roby, „nun macht 'ne Fliege.“ Schlagartig war Markus vergessen. „Hör dir den an“, so ein Blonder mit Militärhose. „Den kaufen wir uns.“ Er ging auf Roby los, zwei seiner Begleiter gleich hinterher. Was sie nicht wußten, aber schnell spürten, war Robys Training bei seinem asiatischen Kampfsportlehrer in Berlin-Neukölln. Mit zwei Tritten und einem Armdreher hatte er die drei im Nu außer Gefecht gesetzt. Die zwei anderen blickten etwas verwirrt auf ihre Kumpane, die sich auf dem Kies wälzten. Nach kurzem gegenseitigen Belauern waren die drei wieder auf den Beinen, die Gruppe zog unter Grummeln von dannen.

Die BerlinerInnen blieben unschlüssig am Strand zurück. „Ich rufe jetzt die Polizei an“, sagte Dagmar, vielleicht kommen die ja wieder.“ Die Herren auf der Wache waren augenscheinlich wenig begeistert. Sie hätten in der Nacht nur wenige Beamte. Außerdem seien die Angreifer auch schon abgezogen. Schließlich versprachen sie, einen Streifenwagen vorbeizuschicken. Also alle wieder zum Strand. Nach einer Stunde tauchten zwei Polizisten auf, konnten aber nur noch feststellen: keine Namen, und die Täterbeschreibungen würden auf „jeden zweiten Jugendlichen hier“ passen. Reiner

Metzger