Waigel sei Dank: Noch mehr arbeitslos

■ Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Engelen-Kefer prognostiziert im taz-Interview eine halbe Million mehr Menschen ohne Job, wenn der Finanzminister bei seinen rigiden Sparplänen gegen die Bundesanstalt für Arbeit bleibt

Berlin (taz) – Mit einer massiven Erhöhung der Arbeitslosenzahlen angesichts des Sparkurses von Finanzminister Theo Waigel bei den Arbeitslosen rechnet der DGB. Dessen stellvertretende Bundesvorsitzende Ursula Engelen-Kefer erklärte im taz-Interview: „Wenn der Bundeszuschuß für die Bundesanstalt 1997 ganz gestrichen wird, dann bedeutet das eine Einschränkung der Arbeitsmarktmaßnahmen um etwa ein Drittel.“ 200.000 Arbeitslose mehr im nächsten Jahr seien die Folge, so Engelen-Kefer, die auch Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit ist. Sollten die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Osten wie von der Regierung geplant bis zum Jahr 2000 auf Westniveau gesenkt werden, „sind das noch einmal 300.000 Arbeitslose mehr“. Im sogenannten „Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung“ der Bundesregierung heißt es: „Bis zum Jahr 2000 wird das Ausgabenvolumen für beschäftigungsfördernde Maßnahmen in den neuen Bundesländern schrittweise entsprechend der Arbeitslosenentwicklung an das Westniveau angeglichen.“

Trotz Protesten, auch von CDU-Abgeordneten, hielt Waigel gestern an den geplanten Einsparungen bei den Arbeitsförderungsmaßnahmen fest. „Arbeitsförderungsmaßnahmen, finanziert mit Nettokreditaufnahme, das ist kontraproduktiv“, sagte er in München. Der Bundesanstalt für Arbeit empfahl Waigel verstärktes Sparen: „Jetzt muß zunächst jeder mal sparen, dann kann man mehr Geld fordern“, sagte der Finanzminister. „Es gibt hier überhaupt keine Möglichkeit zu sparen, denn die Arbeitslosigkeit ist wesentlich höher als angenommen“, meinte Engelen-Kefer dazu. Der Bundesanstalt fehlen schon 1996 mehr als 4 Milliarden Mark in der Kasse, weil sie von Januar bis Juni 8,1 Milliarden Mark mehr ausgegeben als eingenommen habe. Deshalb kommt die Behörde nicht mit dem im Bundeshaushalt vorgesehenen Zuschuß von 4,3 Milliarden Mark aus. Der Bonner CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sagte dazu, die Bundesanstalt sei „immer etwas großzügig im Ausgabengebaren“. Die Forderung Jagodas nach einer Finanzspritze wies er zurück: „Soll er sparen wie jede Hausfrau, dann reicht's.“

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Dehnel verlangte gestern erneut Nachbesserungen bei den geplanten Kürzungen bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Osten. Sollte dies nicht geschehen, werde den ostdeutschen Abgeordneten die Zustimmung zum Sparpaket „schwerfallen“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU in Bonn, Clemens Schwalbe, erklärte, alle 65 Ost-CDU-Abgeordneten würden nicht gegen das Sparpaket stimmen. Karl Diller (SPD) sagte, die Zahlen von Waigel seien als „reines Wunschdenken und Irreführung der Öffentlichkeit entlarvt“. Allein wegen der unverändert hohen Rekordarbeitslosigkeit würden voraussichtlich Mehrausgaben von jeweils 7 Milliarden Mark auf die Bundesetats 1996 und 1997 zukommen, sagte Diller voraus.

klh Interview auf Seite 4