Wissenschaft ist Käse von Carola Rönneburg

Unser zweifelhaftes Wissen über das menschliche Wesen verdanken wir dem unermüdlichen Einsatz von Ratten in der Verhaltensforschung. Unter anderem sollen die Nager geholfen haben, den entscheidenden Unterschied zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht festzustellen. Das Experiment ging so: Eine Ratte und ein Ratterich wurden getrennt gehalten und ausgehungert. Als beide schon ein mächtiges Loch im Bauch hatten, entließ man sie in einen gemeinsamen Käfig, wo ein gut gefüllter Futternapf serviert worden war. Die Beobachtung: Während das Weibchen sofort daran ging, alle ausgefallenen Mahlzeiten nachzuholen, machte sich das Männchen über das Weibchen her. Das Fazit der Wissenschaft: Männchen und Weibchen denken immer nur an das eine, haben aber verschiedene Vorstellungen davon.

Auf das menschliche Miteinander bezogen, soll dieser Versuch erklären, warum Männer Automotorsport kaufen, und Frauen ihre Katze mit Sheba füttern. Wenn Sie jetzt „das kann nicht sein“ denken, liegen Sie völlig richtig. Das kann nicht sein, wie ein Blick auf unseren Alltag und den Frühstücksbeschleuniger zeigen wird.

Der Frühstücksbeschleuniger ist männlich, bereits ausgeschlafen und hungrig – besonders samstags gegen acht Uhr morgens. Dann gibt sein Magen Laute von sich, die auf einer Vulkaninsel die sofortige Evakuierung der Bevölkerung nach sich ziehen würden. Seine friedlich schlafende Nachbarin taucht unter das Kopfkissen. Der Frühstücksbeschleuniger bleibt noch ein Weilchen liegen und bastelt sich eine anregende Käsebaguettefantasie. Dann hält ihn nichts mehr. Unter schwerem Bauchgegrummel verläßt er das Bett und bemüht sich, nicht leise zu sein. Er duscht bei geöffneter Badezimmertür und imitiert beim Rasieren einen mit 140 Dezibel tropfenden Wasserhahn. Kurz bevor er Brötchen holen geht, teilt er der glücklich schlummernden Person mit, er ginge jetzt Brötchen holen. Die zukünftige Frühstückspartnerin nimmt das zur Kenntnis und eine croissantähnliche Stellung unter der Decke ein.

Kurze Zeit später ist er zurück, muß aber – gemäß den Internationalen Frühstücksregeln – eine Verlängerung gewähren. Der Frühstücksbeschleuniger rumort in der Küche, stellt das Radio laut und flucht, weil er sich beim Eierkochen mit heißem Wasser verbrüht. Ein leerer Magen macht nervös. Doch da der Frühstücksbeschleuniger sich selbst geschworen hat, gemeinsam oder gar nicht zu frühstücken, trägt eigentlich Frau Schnorchel die Verantwortung für den Unfall. Das jedenfalls läßt er sie wissen, während sie zum Beginn der zweiten Hälfte der Verlängerung die Seite wechselt. Quietschende Geräusche deuten jedoch auf ein nahes Ende der Partie: Der Frühstücksbeschleuniger hat inzwischen den Balkontisch auseinandergeklappt und den Sonnenschirm aufgespannt. Jetzt schaukelt er die Zeitschinderin in eine sitzende Position und verkündet, soeben sei das Golden Goal gefallen: Schiedsrichterentscheidung, kein Widerspruch. Sie öffnet die Augen. Langsam erwachend, verspürt sie Appetit auf etwas Süßes. Der Frühstücksbeschleuniger aber hält Abstand. Nein, er will nicht nur mal kurz herkommen. Er wird sich jetzt dieses knusprige Käsebaguette vornehmen.