■ Herr Atkins möchte billiger Bus fahren...
: ... wie Frauen seines Alters auch

Immer mehr Männer fordern Gleichberechtigung. Nehmen wir zum Beispiel den britischen Herrn Stanley Charles Atkins, von dem wir nur wissen, daß er 63 Jahre alt ist, zur arbeitenden Bevölkerung gehört und häufig Bus fährt.

Beim Busfahren dachte er wohl hin und wieder über sich und sein Leben nach, und daß er eigentlich lieber in der Freizeit Bus fahren würde als zur Arbeit. Dabei muß ihm irgendwann aufgefallen sein, daß Frauen seines Alters nicht mehr arbeiten müssen und dennoch billiger Bus fahren dürfen als er. Denn Fahrpreisermäßigungen für „Senioren“ gibt es in England erst mit Eintritt ins Rentenalter. Dieses liegt für Frauen bei 60 Jahren, für Männer aber fünf Jahre später. Atkins fühlte sich doppelt diskriminiert und zog vor Gericht.

Und weil er sich auf eine europäische Richtlinie zur Gleichstellung der Geschlechter berief, landete der Fall beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Der hat schon mehreren Männer ihr hartes Los erleichtert.

Da war etwa Atkins Landsmann Herr Barber, dem eine Betriebsrente versprochen wurde, was in England recht häufig geschieht. Jener war aber ärgerlich darüber, daß seine Kolleginnen schon mit 60 in den Genuß dieser betrieblichen Altersversorgung kamen, er jedoch erst mit 65. Der EuGH half. Betriebsrenten sind nämlich eine Art von Entgelt, also galt der Satz: „Gleiches Geld für gleiche Arbeit.“ Die Männerdiskriminierung wurde abgestellt.

Noch bekannter wurde Herr Kalanke, Gartenbauingenieur aus Bremen, der so gerne Amtsleiter werden wollte, dann aber eine Frau vor die Nase gesetzt bekam. Weil das Bremer Gleichstellungsgesetz keine Härtefallregel besaß, entschied der EuGH erneut auf Männerdiskriminierung.

Im Vergleich hierzu war Herr Atkins recht bescheiden. Er wollte nicht etwa sein gesetzliches Rentenalter reduzieren (was die Gleichstellungsrichtlinie gar nicht erlaubt hätte), sondern einfach nur billiger Bus fahren, wie Frauen seines Alters auch. Welch klassische Ausprägung des Wunsches nach Gleichheit der Geschlechter...

Und doch kam alles anders. Der Europäische Gerichtshof, sonst immer an der Seite des aus seiner Sicht unterdrückten Geschlechtes (meist die Frauen!), verzichtete diesmal auf mutige Taten und klare Worten. Herr Atkins bekommt keine verbilligten Busfahrkarten. Und zwar nicht etwa deshalb, weil Frauen es verdient hätten, früher billig Bus fahren zu dürfen – da sie seit Generationen mit der Doppelbelastung von Kindererziehung und Erwerbsarbeit geknechtet (besser: gemagded) werden. Auch nicht, weil Rentnerinnen in der Regel weniger Geld zur Verfügung haben als altersgleiche arbeitende Männer.

Nein, ganz formal zieht sich das Gericht darauf zurück, verbilligte Busfahrkarten seien keine Sozialleistungen. Was aber sonst? Werbegeschenke, Schweigegelder, Sonderangebote? Alte Menschen sind nun einmal besonders auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Vielleicht sollten die EuGH- Richter öfter selbst den Bus benutzen, um das zu erkennen. Dann könnten sie auch so gerechtigkeitsliebende Menschen wie Herrn Atkins kennenlernen – der noch in diesem Jahr seine Pensionierung feiert und dann endlich billiger Bus fahren darf. Christian Rath