Fußballkrieg im Reich Muammar al-Gaddafis

■ Diplomaten und Oppositionelle berichten über Unruhen in Libyen

Kairo (taz) – Die Nachricht verbreitete sich, wie für das verschlossene Libyen üblich, nur langsam über Diplomaten, Reisende und Oppositionsgruppen im Exil. Am Wochenende gab es die libysche Führung um Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi dann selbst zu, indem sie einen Volkstrauertag ausrief: Bei Auseinandersetzungen während eines Fußballspiels zwischen zwei Lokalmannschaften in der Hauptstadt Tripolis war es letzten Donnerstag zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Mindestens 20 Menschen sollen ums Leben gekommen sein.

Nach Angaben von Oppositionellen und Diplomaten verwandelte sich die Sportveranstaltung in eine politische Manifestation der Opposition, nachdem der Schiedsrichter sich allzu offensichtlich auf Seite des Vereins des anwesenden Gaddafi-Sohnes as-Saadi geschlagen hatte. Dessen Leibwächter sollen das Feuer auf Zuschauer eröffnet haben, die ihrem Unmut durch Anti-Regierungs-Parolen freien Lauf gelassen hatten.

Berichte über Unruhen in Libyen häufen sich. Erst am Sonntag verbreiteten libysche Oppositionelle die Nachricht, bei einer Gefängnismeuterei seien am 5. Juli acht Gefangene erschossen worden. Mit einem Hungerstreik hätten Häftlinge zuvor gegen die Haftbedingungen protestiert.

Militante islamistische Gruppen lieferten sich in den letzten Monaten mehrfach Schießereien mit libyschen Sicherheitskräften. Eine Handvoll bisher unbekannter islamistischer Organisationen wie die „Gruppe der Islamischen Kämpfer“ oder die „Islamische Bewegung der Märtyrer“ haben sich dabei ebenso einen Namen gemacht wie bekannte Organisationen wie die Muslimbrüder.

Gaddafi hat die libyschen Sicherheitskräfte angewiesen, jeden Islamisten umgehend zu erschießen. Mehrfach wurden Häuser, in denen angeblich Islamisten wohnten, in die Luft gesprengt. In Darna, einer Kleinstadt im Osten des Landes, wurden nach Angaben Oppositioneller im Frühjahr sogar Strom und Wasser abgestellt, um die Einwohner zu überzeugen, bei der Jagd auf Islamisten besser zu kooperieren.

Die Staatsführung macht ägyptische und sudanesische Arbeiter im Land für die Unruhen verantwortlich. Um ein Exempel zu statuieren, ließ Gaddafi letztes Jahr Zehntausende ausländische Arbeiter aus dem Land werfen. Unzweifelhaft verbreitet sich jedoch auch unter der libyschen Bevölkerung Unmut über die Staatsführung. Die ideologische Grundlage Gaddafis, ein Potpourri aus Panarabismus, Antikapitalismus und Islam, hat ihr revolutionäres Flair verloren. Die ökonomische Situation verschlechtert sich zunehmend. Der Ölexport, Haupteinnahmequelle des Landes, bringt aufgrund des fallenden Ölpreises nicht mehr die nötigen Devisen. Den Rest besorgt das vom UN-Sicherheitsrat vor vier Jahren gegen das Land verhängte Embargo. Da Libyen sich weigert, die angeblichen Hintermänner eines Bombenanschlages auf einen Jumbo der US-Fluggesellschaft Pan Am über dem schottischen Lockerbie auszuliefern, beschloß der Sicherheitsrat ein Luftembargo gegen das Land. Waffen, Ersatzteile für Flugzeuge und bestimmte Komponenten für die Ölindustrie dürfen ebenfalls nicht mehr geliefert werden. Die Folgen sind offensichtlich: Der libysche Dinar besitzt heute nur noch ein Zehntel seines Wertes von vor zehn Jahren. Der Schwarzmarkt floriert, und die Arbeitslosenrate wird von Diplomaten in Tripolis auf 30 Prozent geschätzt. Karim El-Gawhary