Entlassungen leichtgemacht

■ Union und FDP wollen Betriebsverfassung ändern

Bei der in Bonn betriebenen Umverteilung von unten nach oben fallen jetzt auch die letzten Schamgrenzen. Im Trubel um die Sparpläne der Regierung haben die Regierungsfraktionen Union und FDP Ende Juni beschlossen, die Opfer von Massenentlassungen bei Großunternehmen um ihre bisher regelmäßig übliche Abfindung zu bringen. Das Betriebsverfassungsgesetz soll entsprechend geändert werden.

Die Idee stammt – wie könnte es anders sein – von der FDP. Die Partei der Reichen und Unverschämten kämpft mit Haken und Ösen für die Auffüllung der Bankkonten von Aktionären und Unternehmern. Beiläufig brachte sie Ende Juni eine Änderung des sogenannten Sparpakets auf den Weg. Die Erträge von Unternehmen sollen künftig nicht mehr durch Abfindungen geschmälert werden, wenn ein schneidiger Konzernchef ganze Abteilungen abwickelt. Nur der Aktienkurs zählt, es lebe der Shareholder-value.

Doch die FDP hat im Bundestag nicht die Mehrheit. Die Sozialpolitiker der Union haben mitgezogen beim Ausverkauf von Arbeitnehmerrechten. Schläfrig und schlecht beraten vom Bundesarbeitsministerium, gaben sie den einzigen Trumpf der Betriebsräte bei der Verhandlung mit wildgewordenen Managern preis.

Die FDP hat den Anschlag auf die arbeitende Bevölkerung ziemlich clever aufgezogen. Der Antrag zur Beseitigung von Arbeitnehmerrechten stammt aus dem Bundestagsausschuß für Arbeit und Soziales. Wer würde aus diesem Gremium solche bösen Vorschläge erwarten? Im Plenum Ende Juni wurde nur noch durchgestimmt.

Das Ergebnis: Vier Millionen Menschen im Land sind heute schon arbeitslos. Doch diese Koalition hält es für vordringlich, weitere Entlassungen zu erleichtern. Auch Gewerkschaften und Opposition haben allerdings bislang den Schlaf der Gerechten geschlafen. Kein Aufschrei der Empörten in Bonn, die Sozialpolitiker sind in Urlaub. Der Freibrief für entlassungswillige Unternehmer ist bislang nicht einmal Thema geworden.

Noch ist Zeit zur Korrektur. Am Freitag wird mit dem Sparpaket der Regierung auch diese Neuregelung im Bundesrat durchfallen. Es bleibt eine Chance für die Sozialpolitiker, die Scharte auszuwetzen. Hermann-Josef Tenhagen