Entkleideter Seifensound

■ Zwei Warp-Nächte, eine davon mit Live-Bands „B 12“, „Autechre“ und „Freeform“ in Bremen

Techno lebt von, mit und durch Schnelligkeit. Schnell produziert, schnell verkauft, schnell populär und schnell vergessen. In den Charts beten die für ein Stück zusammengetroffenen Produzenten darum, daß ihre Recycling-Melodie eine Woche übersteht. Dagegen werden in der „Szene“ wohl auch längerfristige Karrieren verfolgt, denn hier stehen und sterben Labels für den Fortschritt.

Dieser hatte einst das Synonym Warp: das erste elektronische Nicht-Techno-Label des Techno-Zeitalters. Electronic Listening hieß das, sprach vom Zuhören und ordnete implizit dem anderen Bereich eine Art impulsives Zucken zu. In der heutigen Landschaft synthetisch erzeugter Musik steht Warp wie eine ältere Respektsperson, von der Geschichte und Autorität, allerdings kaum noch Sturm und Drang ausgeht.

Zu Beginn dieses Jahrzehnts begann das Label aus der englischen Stahlstadt Sheffield sich um die irritierten, Underground-sensibilisierten Musikfreunde zu kümmern, denen Techno Angst machte. Unter dem schützenden Mantel des universellen Nenners einer Kraftwerk- und Cabaret-Voltaire-Tradition wurde die Elektronik umgeformt und Techno mit Hilfe der Vorsilbe „intelligent“ hierarchisiert. Und dann veröffentlichte auch noch der unschuldigerweise zum „Mozart des Techno“ karikierte Richard James alias Aphex Twin seine Platten bei Warp.

Damit standen der Hochkultur die Türen offen und Warp wurde die Bastion des Guten im Land der Schwachsinnigen – mittlerweile auch als Finanzmacht, die als Zweitverwerter die Stars an sich bindet.

Um einen Livegeschmack von der Arbeit des Labels zu bekommen, muß man allerdings Hamburg verlassen. Denn die „richtige“ Warp-Veranstaltung findet in Bremen statt – mit einem kurzen Hamburger Schwanz immerhin dazu. Bei der Label-Präsentation an der Weser begegnen uns Label-Vergangenheit (B 12), Gegenwart (Autechre) und nahe und ferne Zukunft (Squarepusher und Freeform).

Hier können wir Geschichte erfahren: der um ein paar neue Frequenzen und Ideen bereicherte Tangerine-Dream-Seifensound von B 12 entkleidet sich zum massenkompatiblen, spielerischen Elektro-Funk von Autechre. Tom „Squarepusher“ Jenkinson und Simon „Freeform“ Pyke greifen bedenkenlos zu: Fusion-Läufe über superschnellem Drum'n'Bass, Polyrhythmik aus Klängen kaputter EDV. Easy Hardcore Listening und zurück. Was das in einer „Live“-Situation mit den anwesenden Körpern macht, bleibt offen.

Wem der Weg zu weit ist, der kann sich bei der Veranstaltung Una Promozione Simpatico De La Musica Di Warp Records in der Lounge ohne lebende Künstler beschleunigen lassen. iiiiiiiiiiiiiiiHolger in't Veld

„Warp Night I“: So, 21. Juli, 22 Uhr, Gröpelinger Fährweg, Bremen „Warp Night II“: Di, 23. Juli, 22 Uhr, Lounge