Swingende Riegel

■ Die Galerie Kammer zeigt den Wettbewerb zum Bremer „Musicon“

Das ganze Projekt atmet den Geist des Zukünftigen – hoffentlich verweht es nicht in der Praxis. Denn der Plan für eine neue Musikhalle in der Bürgerweide zu Bremen ist sowohl funktional wie architektonisch aufregend und könnte einem Architekten die endgültige Konsolidierung in Deutschland bescheren, dessen komplexe Ideen meist weder Bauherren noch Kollegen verstehen und akzeptieren wollen: Daniel Libeskind.

Entstanden ist die Idee zu einem neuen Konzerthaus aus der Sehnsucht einer Bürgerinitiative, aus der sich der Förderkreis Neue Philharmonie Bremen ergab, nach großen Konzertereignissen auch an der Weser. Da die alte Musikhalle „Glocke“ mit 1.400 Plätzen keine Klassik-Weltstars locken kann, diskutierte man neue Lösungen, sammelte 2 Millionen Mark Spendengelder und finanzierte davon erst einmal einen internationalen Ideenwettbewerb, um potentielle Geldgeber mit einem ausgeklügelten Vorschlag zu überzeugen.

Nach einer Vorsichtung wurden 12 Architektenbüros zu dem Wettbewerb eingeladen – darunter so bekannte Namen wie Günter Behnisch, Architekt des Bundestages, die Österreicher Ortner & Ortner (ehemals Haus Rucker Co), den Niederländer Herman Hertzberger oder Alsop/Störmer, die u.a. das neue Wohnhochhaus an der Kehrwiederspitze bauen sollen.

Der Auslober wünschte sich ausdrücklich die kreative Explosion und legte ein Programm zugrunde, das für ein „Neue Philharmonie“ benanntes Bauwerk wohl einzigartig ist. Denn es war nicht nur Pflicht der Architekten darauf zu achten, daß alle Arten der Musik von Techno-Raves bis zu Symphoniewerken hier optimale Bedingungen vorfinden, sondern zusätzlich war eine Umgebung erwünscht, die das Publikum zum Verweilen einlädt.

Der siegreiche Entwurf von Daniel Libeskind vereint in von ihm gewohnter Manier Metaphorik und praktische Vernunft. Seine vier ineinander geschobenen Riegel weisen per Luftlinie auf die europäischen Musikmetropolen wie Paris, Prag, Wien oder London. Dieses Konzept der Kreuzungen setzt sich auf vielen Ebenen fort. Städtebauliche Dominanten werden ebenso aufgenommen wie die Vorstellung, die starre Hierarchie gewöhnlicher Säle durch ein Konzept zu durchbrechen, das die Bühne ins Zentrum vieler Blickrichtungen legt.

Durch schwenk- und senkbare Bühnen- und Tribünenteile läßt sich das Musicon für eine Boxveranstaltung ebenso nützen wie für ein Oratorium und mit einem Indoor-Garten und der architektonischen Musikalität der „swingenden“ Riegel bildet das Bauwerk jene Attraktivität, die es zu dem neuen Anziehungspunkt Bremens machen kann. Vorausgesetzt es gelingt dem Verein, Geldgeber von der Wirtschaftlichkeit dieser Idee zu überzeugen.

Auch unter den weiteren Vorschlägen, die alle in der Ausstellung dokumentiert sind, finden sich grandiose Lösungen. So die dynamische Stadtlandschaft der Pariser Architektin Nasrin Seraji, der elegante Nierentisch-Komet von Sauerbruch & Hutton oder der vielleicht etwas größenwahnsinnige Vorschlag von Behnisch, Caspar David Friedrichs Eisschollen in eine monströse Glaslandschaft zu übertragen. Till Briegleb

Galerie Kammer, Münzplatz 11, bis 7. August