EU will Werftenabbau erzwingen

■ Bürgschaft für Costa Victoria soll illegale Beihilfe gewesen sein / Prüfverfahren eingeleitet

Bremen kann sich auf einen langen Rechtsstreit mit der EU-Kommission einstellen. Gestern hat die Kommission die Einleitung eines Prüfverfahrens wegen möglicher illegaler Schiffbau-Beihilfen des Landes an den Bremer Vulkan beschlossen. Damit teilt nun die gesamte Kommission die Bedenken des EU-Wettbewerbskommissars Karel van Miert, der das Verfahren schon Anfang der Woche angekündigt hatte. Dabei geht es um 72 Millionen Mark einer 87,5-Millionen-Bürgschaft, die Bremen Anfang des Jahres dem Weiterbau der „Costa Victoria“ zugeschossen hatte. Die, so van Miert, gingen weit über die erlaubte Schiffbaufinanzierung hinaus und seien eine unerlaubte Beihilfe. Mit dem Prüfverfahren angegriffen ist nun gänzlich das Land, denn der von Bremen verbürgte Kredit wurde über die landeseigene Hanseatische Industrie-Beteiligungs-GmbH (Hibeg) abgewickelt. Die Banken hatten wegen des unkalkulierbaren Risikos abgewunken. Und: Allen Beteiligten in Bremen, sowohl dem Senat als auch den Parlamentariern war das Risiko der Bürgschaften klar.

Am Abend des 4. März waren die Bürgschaftsausschüsse zusammengetreten. Auf dem Tisch lag ein brandeiliger Beschlußvorschlag. Neben einem 70 Millionen Mark schweren Kredit für den Verbund sollten die ParlamentarierInnen allein für den Weiterbau der Costa Victoria einer vom Land verbürgten Aufstockung der Bauzeitfinanzierung um 87,5 Millionen Mark zustimmen. Sonst, so die Argumentation, sei das Costa-Geschäft gefährdet, für das Bremen schließlich bereits gebürgt hatte – mit 220 Millionen Mark. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen der dann unweigerlich folgenden schnellen Vulkan-Pleite. 15.000 Arbeitsplätze gingen verloren, das Land verlöre Steuereinnahmen von jährlich 130 Millionen Mark, hatte Finanzsenator Ulrich Nölle in einem Radio Bremen-Interview an die Wand gemalt. Die Bürgschaftsausschüsse stimmten zu. Obwohl damals schon klar war, daß damit ein Konflikt mit der EU-Kommission wegen unerlaubter Beihilfen aufziehen würde, heißt es jetzt aus Senatskreisen.

Das Terrain war sogar den Banken zu heiß. Bremen hat kein Institut gefunden, das die Gelder mit der Landesbürgschaft im Rücken lockermachen wollte. Kein Wunder: Wenn die EU im Nachhinein die Bürgschaft für ungültig erklärt, dann stürzt die Bank in eine völlig unsichere Rechtslage, erklärte gestern ein Sprecher der Bremer Landesbank. Dann nämlich ist zwar das Geld geflossen, die Bank hat Forderungen an den Kreditnehmer – in dem Fall an den Vulkan, wenn es den dann noch gibt – aber die Landesbürgschaft wäre rechtsungültig. Ein echtes Risiko, denn im Zweifel könnte Bremen der Bank eine lange Nase machen. Und wenn die EU schon vor Erteilen der Bürgschaft Zweifel an der Legalität der Maßnahme signalisiert, „dann kriegen wir erst recht Bauchweh“, erklärte der Banksprecher. Im Falle der Costa-Bürgschaften scheint es ein allgemeines Banken-Bauchweh gegeben zu haben. Denn am Ende mußte die landeseigene Hibeg Bank spielen und den Kredit geben.

Der Beschluß der EU-Kommission ist eine weitere Umdrehung an den Daumenschrauben, die Brüssel Bremen angelegt hat. Ganz offensichtlich will die EU erreichen, daß sich das Land und die Werften des ehemaligen Vulkan Verbundes auf tiefe Schnitte in der Schiffbaukapazität festlegen. Bislang hat das Land den Brüsseler Wettbewerbswächtern lediglich die Stillegung zweier Schiffbauplätze angeboten – einen bei Schichau Seebeck, einer beim Vegesacker Vulkan. Das soll reichen, damit Brüssel Landesbürgschaften für den Bau zweier Containerschiffe genehmigt. Das wird kaum reichen, wenn man die Äußerungen von van Miert aus den letzten Wochen richtig deutet – und die Bremer Verantwortlichen wissen um die Haltung des Kommissars.

Am 21.6. berichtete Ulrich Keller, der Vulkan-Beauftragte beim Finanzsenator, den Bürgschaftsausschüssen über die Brüsseler Forderungen. Höchstwahrscheinlich, so Keller laut Protokoll, komme auf Bremen ein Verfahren wegen unzulässiger Beihilfen zu. Allerdings seien die möglicherweise in Ordnung, wenn sich Bremen zu einem Kapazitätsabbau durchringen würde.

Besonders spürbar wurde der Druck aus Brüssel bei einem Bericht an die Wirtschaftsdeputation, die am 26.6. getagt hat. Deutliche Signale: Jede von Bremen verbürgte Mark an die Ex-Vulkan-Werften müsse nun von der EU genehmigt werden. Fachterminus: „Einzelfallnotifizierung“. Für jede weitere Bürgschaft müsse ein Schließungskonzept vorgelegt werden. Beihilfen würden nur bei „echtem und endgültigem Kapazitätsabbau“ genehmigt, heißt es im Protokoll. Und der müsse „nicht nur personeller, sondern auch physischer“ Art sein.

Ein solches Bremer Modell liegt in Brüssel immer noch nicht vor. Was die schlechte Stimmung der Kommission gegenüber Bremen noch schlechter macht, insbesondere, weil andere Standorte anders mit Brüssel kommunizieren: „Mecklenburg-Vorpommern ist wesentlich kooperativer als Bremen“, hieß es gestern aus der Kommission. J.G.