Moschee wächst in den Himmel

Auf dem Islamischen Friedhof wird als Ersatz für zu klein gewordenes Gebetshaus eine Moschee mit 42 Meter hohen Minaretten gebaut  ■ Von Gesine Wolfinger

„Wir sind hier nicht mehr in Berlin, wir befinden uns in der Türkei“, sagt Mohammed Herzog. In unmittelbarer Nähe des Flughafens Tempelhof – versteckt hinter hohen Hecken – liegt der Islamische Friedhof. Die Grabsteine am Neuköllner Columbiadamm sind reihenweise nach Mekka ausgerichtet. Vor 130 Jahren hatte der preußische Staat dem Osmanischen Reich das kleine Grundstück als letzte Ruhestätte für seine Diplomaten geschenkt. Heute ist es türkisches Hoheitsgebiet.

Von ursprünglich 220 Gräbern sind inzwischen jedoch nur noch rund 150 erhalten. Und es kommen auch keine mehr hinzu. Mittlerweile werden Muslime auf dem Landschaftsfriedhof Gatow beigesetzt. Die letzte Beerdigung in Neukölln habe 1989 stattgefunden, erzählt Herzog, der als Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft im Sommer und im Herbst Führungen über den Friedhof anbietet.

Nur bei Überführungen in die Türkei oder in arabische Länder werde der Friedhof in Neukölln noch für die rituellen Waschungen der Toten – dreimal unter fließendem Wasser – und die Trauerfeier genutzt, berichtet er. Neben den Gräbern ist dafür in den achtziger Jahren eine Moschee entstanden. Dafür wurde ein kleines Wachhäuschen zur Moschee mit Kuppel und Minarett umgebaut.

„Diese Verbindung zwischen Gebetsstätte und Friedhof ist einmalig in der islamischen Welt“, erklärt Herzog. Für den Bau mußten viele Tote umgebettet werden – ebenfalls ein ungewöhnliches Vorgehen. Eigentlich sei ein islamisches Grab im Gegensatz zu christlichen Gräbern „für die Ewigkeit gedacht“, erläutert der Muslim, der aus einer protestantischen Familie stammt, lange Jahre bei der konservativen baptistischen Missionsgesellschaft „Operation Mobilisation“ beschäftigt war und vor 17 Jahren zum Islam konvertierte.

Derzeit leben mehr als 190.000 Muslime in Berlin. Die meisten von ihnen kommen aus der Türkei, aus arabischen Ländern und Exjugoslawien. Auch rund 4.000 Deutsche gehören dem Islam an. Insgesamt stehen ihnen jedoch nur 49 Gebetsräume sowie zwei Moscheen für ihre täglichen fünf Gebete sowie die Festgottesdienste nach dem Fastenmonat Ramadan und der traditionellen Mekka-Pilgerfahrt zur Verfügung.

Die jetzige Moschee in Neukölln sei einfach zu klein, betont Herzog. Deshalb werden voraussichtlich weitere Gräber weichen müssen: In der hinteren Ecke des kleinen Friedhofs entsteht eine neue Gebetsstätte. Noch in diesem Jahr soll der erste Bauabschnitt beendet sein, ergänzt er. Das rund fünf Millionen Mark teure Bauwerk werde ausschließlich durch Spenden finanziert.

Besinnliche Ruhe will sich zur Zeit auf dem Gelände nicht einstellen. Sägen kreischen, Hammerschläge dröhnen, rostige Eisenstangen und Betonmischer säumen die Wege. Die neue Moschee solle in osmanischem Stil mit zahlreichen Türmchen, Kuppeln und Rundbogen errichtet werden, erläutert Herzog. Die beiden jeweils 42 Meter hohen Minarette sollen weithin sichtbar alle benachbarten Gebäude überragen.

Nächste Führungen: 11. August; 1., 8. und 15. September