■ Filmstarts à la carte
: Wenn Menschen zu sehr pudelmützen

Weil die Welt nicht so sehr auf Neuseeland schaut wie unlängst wieder auf Berlin, fühlen die Menschen dort sich vielleicht ein bißchen verlassen und hecken in ihrer Abgeschiedenheit Dinge aus, die auf Filmfestivals unter der Rubrik „seltsam, sehr seltsam“ laufen. Sollte man die Ethnographen verständigen? Denn womöglich handelt es sich um verklausulierte Hilferufe: Seht nur, so wunderlich wird man, wenn die Völkergemeinschaft einen so selten in ihre Tagesthemen holt.

Die Brotfabrik hat nun eine kleine Reihe neuseeländischer Kurzfilme zusammengestellt, die kürzlich auf dem Hamburger Filmfest zu sehen waren. „Seltsam“ ist ein Ticket, auf dem man mitunter recht weit kommt: Jane Campion mit den Filmen vor „The Piano“, Peter Jackson, Peter Weir (weird, haha!), und gleich möchte man warnen: Neuseeländer! Die Geste nutzt sich ab! Ein Leitmotiv dieses Kinos sind „funny little guys“, kleine Jungs und Mädchen, die einsam, schwärmerisch und zeugungsunfähig sind.

Lustig und empfehlenswert bleibt aber Lemming Aid, ein 12minütiger Film über eine Gruppe fanatischer Tierschützer, die an einer Klippe stehen und die Lemminge am Selbstmord hindern wollen, wobei sie auf eine Frau treffen, die das aber gerade geil findet. Überzeugungen, Pudelmützen und „furry friends“ prallen aufeinander.

Dagegen glaubt man, A Game with no Rules schon irgendwie zu kennen. Hochglanzpolierter Film noir, Femmes fatales, Kaliber 45 und selbstverständlich sehr sexy aussehende Geldscheinrollen folgen einander wie Platzpatronen. Auffällig: Gleich mehrere Kurzfilme hängen mehrere Enden an die Credits. Man merkt ständig, daß die Form aus allen Nähten platzt und die wenigsten Leute mit 12 Minuten auskommen.

Ganz im Sinne der taz-Kampagne „Keine Angst vor China, dafür Vorsicht mit tibetischen Mönchen“ startet das Filmkunst 66 heute eine vierwöchige Reihe mit 43 Filmen aus Hongkong, Taiwan und der Volksrepublik. Das Taipei-Wirtschaftsbüro wirbt für den besten Teil der Reihe, nämlich die Filme von Hou Hsiao-hsien mit dem Stichwort „Perspektivlosigkeit der Jugend, Zivilisationskritik“. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Das sagen diese Leute bloß, weil sie denken, man müßte uns hier erst mal versichern, daß Hou sich nicht hat knebeln lassen. Das geht aber völlig an dessen Filmen vorbei, in denen es um Hotelzimmer mit ultrablauen Gardinen, melancholische Getränkezusammenstellungen, Goldfische und Hawaiihemden geht, mit dem Ziel des Perspektivenverlusts. Ein Tip: früher Godard, aber ohne Prätention. Völlig zu Recht ist auch der Mainstream vertreten, der sich dadurch auszeichnet, auf sehr intelligente Weise die Camouflage-Taktiken der Immigration aufzudecken: Hochzeitsbankett ist ja bekannt, und vielleicht auch Eat a Bowl of Tea, wenn nicht: unbedingt ansehen.

Mariam Niroumand

„Dark Tales“, Kurzfilme aus Neuseeland 1989–90. Brotfabrik: 18. bis 24. Juli, jeweils 20 Uhr

Tage des chinesischen Films im Filmkunst 66, von 18. Juli bis 14. August, wechselnde Uhrzeiten