Mit Sozialhilfe arbeiten gehen

■ Biete Sozialhilfe, suche Arbeitsplatz: Kreuzberger Sozialhilfeempfänger dürfen bei neuem Modellprojekt künftig ihre Stütze in neuen Arbeitsplatz einbringen

Der Fall gehört zum ganz normalen Alltag der Massenarbeitslosigkeit: Als Student jobbte er nebenbei, um sich das Diplom zu verdienen. Nach dem Examen arbeitete er zwar, aber nie sozialversicherungspflichtig. Fünf Jahre später rang er sich durch – zum Sozialamt. Eine Art Endstation. Von hier kommt der joblose Akademiker nicht so leicht wieder los.

Damit soll nun aufgeräumt werden. Der Bezirk Kreuzberg hat mit Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) ein Modellprojekt vereinbart, das Sozialhilfe wie einen Lohnkostenzuschuß behandelt: Der arbeitslose Akademiker behält seine Stütze auch dann, wenn ihn ein Klein- oder Mittelbetrieb wieder an den Arbeitsmarkt heranführt. Bis 1999 sollen so 2.000 Sozialhilfeempfänger wieder „in den Arbeitsmarkt integriert werden“, so Senatorin Bergmann.

Nur Hamburg schießt bislang schon Sozialhilfe an Privatbetriebe zu, um Menschen in Arbeit zu bringen und parallel dazu zu qualifizieren. „Damit ist Sozialhilfe auch hier anerkannte Kofinanzierung“, freut sich Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Das heißt: Erstmals kann Kreuzbergs oberste Sozialarbeiterin die sogenannte „Hilfe zum Lebensunterhalt“ mit Mitteln des Landes und des Europäischen Sozialfonds mischen und so Arbeitslosigkeit abbauen helfen. Kreuzberg hat das bitter nötig. 20.000 Sozialhilfeempfänger zählt der Südostbezirk. Ein Viertel der Erwerbsfähigen hat keine Arbeit. „Wir sind für jede Chance dankbar“, sagt Sozialstadträtin Junge-Reyer.

Die Service-Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung (GSUB) verwaltet das Projekt. Das Unternehmen hat bereits die in Berlin vor zwei Jahren eingeführten Lohnkostenzuschüsse für Klein- und Mittelbetriebe unter ihrer Fittiche. In dem Vorläuferprojekt des neuen Modells arbeiten derzeit über 6.000 Langzeitarbeitslose. GSUB-Geschäftsführer Rainer Aster will die dabei aufgebauten Kontakte zur Privatwirtschaft für das neue Modell nutzen. Im Unterschied dazu wird der Zuschuß aus den Sozialhilfetöpfen zunächst nur in Kreuzberg angewandt.

Erste Aufgabe Asters wird es nun sein, in einer Ausschreibung Betriebe zu finden, die sozialhilfeberechtigte Arbeitskräfte einstellen. Mit der Nachfrage hat Asters Projektpartnerin Ingeborg Junge- Reyer kein Problem. Ihre Arbeitsgruppe „Hilfe zur Arbeit“ hat eine Warteliste von rund 1.000 SozialhilfeempfängerInnen, die zu einer der Zielgruppen des neuen Modells zählen: Frauen über 40, deren Qualifikation nach dem Kindergroßziehen weit zurückliegt; Männer gleichen Alters aus dem Baunebengewerbe, die gesundheitlich beeinträchtigt sind; schließlich junge Leute um die 30, die ohne Ausbildung oder arbeitslose Akademiker sind.

Aus dem Europäischen Sozialfonds stehen Mittel in Höhe von rund 30 Milllionen Mark zur Verfügung. Arbeitssenatorin Bergmann steuert aus ihrem Etat 10.000 Mark je Gefördertem bei. Zudem dient die Sozialhilfe der Teilnehmer zur Finanzierung. cif