Grüne gegen reine Standortpolitik

■ Bündnisgrüne ziehen negative Bilanz der Enquetekommission Medien

Bonn (taz) – Die Grünen wollen in der Diskussion um die neue deutsche Medienlandschaft das Zünglein an der Waage sein. Der medienpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Rezzo Schlauch, empfahl gestern in Bonn seinen Parteifreunden in den Landesparlamenten, dem am 5.Juli von den Ministerpräsidenten beschlossenen Rundfunkstaatsvertrag nicht zuzustimmen.

Schlauch sagte, die grüne Position einer Stärkung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks sei mit dem neuen Rundfunkgesetz nicht vereinbar. Die Grünen würden an Glaubwürdigkeit verlieren, sollten sie der neuen Regelung zustimmen, die eine „Weichenstellung“ zu stärkerer Konzentration bedeute.

Die Neufassung des Rundfunkstaatsvertrages sieht vor, daß kommerzielle Fernsehanbieter vom 1.Januar 1997 an verschiedene Sender bis zu einem Gesamtmarktanteil von 30 Prozent betreiben dürfen. Diese Grenze sei auch im internationalen Vergleich außerordentlich hoch, so Schlauch. Gleichzeitig gebe es bis heute keine zuverlässige Reichweitenkontrolle. Die Erhöhung der Rundfunkgebühren für ARD und ZDF ist von den Ministerpräsidenten an die neuen Regelungen für Konzentration gekoppelt worden. Dieser Punkt wäre für Schlauch möglicherweise der einzige Grund, dem Vertrag doch noch zuzustimmen. Die Koppelung der Konzentrationskontrolle an die Gebührenerhöhung bezeichnete er als „Erpressungspotential“. Es sei aber besser, sich nicht erpressen zu lassen.

Der medienpolitische Sprecher äußerte sich auch zur mittlerweile halbjährigen Tätigkeit der Enquetekommission des Bundestages „Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“. Er zog eine negative Bilanz und kündigte ein grünes Minderheitenvotum für den Zwischenbericht im September an. Schlauch warf den großen Parteien CDU und SPD vor, Medienpolitik in diesem Gremium als reine „Wirtschafts- und Standortpolitik“ aufzufassen sowie den Rundfunk nur unter juristischen, nicht aber demokratiesichernden Gesichtspunkten zu betrachten. Fragen der Konzentrationskontrolle würden „in eine exotische Nische gestellt“. Jochen Pfender