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Clinton und Kuba – Präsident auf Schlängelkurs

■ Alle Teile des Helms-Burton-Gesetzes treten in Kraft, Klagerecht ist ausgesetzt

Washington (taz) – Von den einen will er gewählt werden, mit den anderen möchte er gute Handelsbeziehungen. Mit einem „Ja, aber“ versuchte sich US-Präsident Bill Clinton am Dienstag aus der politischen Klemme zwischen der kubano-amerikanischen Lobby in Florida und New Jersey einerseits und den US-Verbündeten in der EU, Kanada und Mexiko andererseits herauszumanövrieren. Clinton ließ den derzeit umstrittensten Teil des Helms-Burton-Gesetzes zur Verschärfung der Kuba-Sanktionen in Kraft treten: „Title III“, jene Passage, die es Exilkubanern mit US-Staatsbürgerschaft erlaubt, gerichtlich gegen ausländische Unternehmen vorzugehen, die an Transaktionen mit enteignetem Besitz auf Kuba teilhaben.

Clinton = Wackelpudding, giften Republikaner

Um jedoch den Protesten und Vergeltungsdrohungen in Brüssel, Ottawa oder Mexiko City den Wind aus den Segeln zu nehmen, setzte er eben dieses Klagerecht für die nächsten sechs Monate außer Kraft. In diesem Zeitraum, so der US-Präsident, wolle er die Verbündeten für eine koordinierte Politik „zur Förderung der Demokratie in Kuba gewinnen.“

Dieses Zugeständnis an die Handelspartner empörte mehrere Republikaner im US-Kongreß, die wortreich das fehlende Rückgrat des Präsidenten im Kampf gegen Fidel Castro zu beschreiben versuchten. „Wie ein Wackelpudding“, giftete Lincoln Diaz-Balart, Abgeordneter aus dem Bundesstaat Florida und Vertreter der Hardliner-Fraktion im Parlament. Senator Jesse Helms, der mit dem republikanischen Abgeordneten Dan Burton zu den Initiatoren des Gesetzes gehört, bezeichnete den Präsidenten mit dramatisch-betrübter Stimme als Schwächling.

Die freundlichsten Reaktionen kamen ausgerechnet aus der Ecke, die Clinton mit seinem „Kompromiß“ am stärksten zu verprellen befürchtete. Die „Cuban-American National Foundation“ (CANF) – das Zentrum der Anti- Castro Hardliner in Miami – lobte Clinton dafür, die umstrittene Passage des Gesetzes grundsätzlich in Kraft gesetzt zu haben. „Der Präsident hat Kopf und Herz am richtigen Platz“, erklärte ein CANF- Sprecher.

Die CANF dürfte mit Genugtuung dem Wall Street Journal entnommen haben, daß mehrere ausländische Unternehmen aus Angst vor gerichtlichen Konsequenzen in den USA Investitionsprojekte oder Transaktionen in Kuba gestoppt haben. Unter anderem will die niederländische Bank ING Group einen Kredit in Höhe von 30 Millionen Dollar für das Einbringen der nächsten Zuckerernte nicht mehr erneuern.

Ursprünglich hatte Clinton sein Veto gegen das Helms-Burton- Gesetz angedroht, weil man sich auch im Weißen Haus durchaus über die internationalen Konsequenzen einer Ausweitung des US-Embargos auf andere Länder bewußt war. Doch nach der Empörung über den Abschuß zweier Privatflugzeuge von Exilkubanern durch die kubanische Luftwaffe im Februar vollzog der Präsident eine Kehrtwendung und behielt sich lediglich das Recht vor, international prekäre Passagen streichen oder aufschieben zu dürfen. Davon nicht betroffen ist „Title IV“, wonach Firmenchefs und Aktienbesitzer in Kuba aktiver ausländischer Firmen mit einem US-Einreiseverbot belegt werden können. Die Manager des kanadischen Bergbaukonzerns Sherritt und ihre Familienangehörigen kamen letzte Woche als erste auf die Liste der „unerwünschten Personen“.

Kanada diskutiert weiter die Vergeltung

Die kanadische Regierung hat dem Parlament bereits mehrere Zusätze zum „Foreign Extraterritorial Measures Act“ (FEMA) vorgelegt, die direkte Vergeltungsmaßnahmen gegen das Helms- Burton-Gesetz vorsehen. Demnach soll das Justizministerium in Zukunft per „Blockierungsorder“ verhindern, daß US-amerikanische Kläger Zugriff auf Bankkonten oder Vermögensanlagen kanadischer Bürger oder Unternehmen haben, die in den USA auf Grundlage des Helms-Burton Gesetzes verurteilt werden. Zieht ein US- Gericht Strafgelder von US-Konten der Beklagten ab, so hätten letztere die Möglichkeit, vor einem kanadischen Gericht auf Rückerstattung zu klagen. Andrea Böhm

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