Eine Rolle rückwärts

■ Kuba-Boykott: Clinton will keinen Handelskrieg

In Washington nennt man das mittlerweile einen „klassischen Clinton“. Oder, um bei den derzeit so beliebten olympischen Metaphern zu bleiben: einen Weitsprung mit schwerfälligem Anlauf und eingebautem Rückwärts- Purzelbaum. Wie immer steht er ein bißchen beleidigt auf, weil keiner klatscht. Aber was soll's: Wer interessiert sich noch für Haltungsnoten, wenn er am Ende wiedergewählt wird?

Bill Clintons sogenannter „Kompromiß“ in der Frage der Kuba-Blockade ist natürlich keiner – vorausgesetzt, man versteht unter Kompromiß weiterhin die Übereinkunft auf der Grundlage gegenseitiger Zugeständnisse. Für die EU, Kanada, Mexiko und all die anderen Staaten, deren Unternehmen an Transaktionen in Kuba beteiligt sind, gibt es aber keine Zugeständnisse zu machen. Den Geltungsbereich eines einseitigen Embargos per nationaler Gesetzgebung auf dritte Länder auszuweiten, ist inakzeptabel. Punkt. Vielleicht sollte man der US-Regierung in Erinnerung rufen, wie empört Washington einst auf den Boykott arabischer Länder gegen US-Firmen, die in Israel investiert hatten, reagierte.

Nun kündigen sich Mitgliedsländer von WTO und Nafta gegenseitig den Handelskrieg an, weil ein paar hunderttausend Kubano-Amerikaner dem amerikanischen Präsidenten bei den nächsten Wahlen mit Stimmentzug drohen könnten. Im Zeitalter der globalisierten Ökonomie entbehrt das nicht einer gewissen Ironie – vor allem, wenn dies von einem Präsidenten angezettelt wird, der sich den Freihandel als außenpolitische Priorität auf die Fahne geschrieben hat.

Dabei wäre Clinton dieser Schlamassel vermutlich erspart geblieben, hätte er gleich zu Beginn seiner Amtszeit der kubano-amerikanischen Community in New Jersey und Florida ein paar Übungen in Demokratie auferlegt, deren Fehlen er völlig zu Recht in Castros Kuba beklagt. In Miami haben sich in den letzten Jahren trotz gewalttätiger Aktionen der Hardliner Organisationen entwickelt, die demokratische Reformen in Kuba wollen – aber nicht auf Kosten einer zunehmenden Verelendung der Bevölkerung. Hätte Clinton diesen Leuten in den letzten Jahren in Washington Stimme und Einfluß gegeben, gäbe es heute kein Helms-Burton-Gesetz. Und auf Kuba mehr Anlaß zu Hoffnung. Andrea Böhm