Zwischen den Rillen
: Showdownfrei von Ost nach West

■ Antiheld und Ex-HipHop-Hippies: Neues von Nas und De La Soul

Wie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen (Sport! Olympia!) haben sich im amerikanischen HipHop-Geschäft Show und Drumherum längst verselbständigt. Der Renner in dieser Saison: den Graben zwischen Ost- und Westküste, den beiden großen Zentren von HipHop, tief und noch tiefer werden zu lassen.

Was einst mehr eine sportive Rivalität war, strotzt mittlerweile vor Geschmacklosigkeit und Borniertheit und wird gezielt eingesetzt, um einen zusätzlichen Kick an Geld, Macht und Aufmerksamkeit zu bekommen. Da nennt ein Ice Cube sein neues Projekt unverblümt „Westside Connection“; da spannen sich die beiden wichtigsten Label-Manager, Suge Knight (West) und Sean „Puffy“ Coombs (Ost), mit viel Getöse gegenseitig die Frauen aus; oder es drehen die Westcoastler Tha Dogg Pound ausgerechnet in New York das Video zu ihrem „New York, New York“-Dissing – und prompt kommt es zu einer tödlichen Schießerei.

Um so schöner, daß es noch Alben gibt, die sich diesem Showdown verweigern und Kommunikation über ihre Inhalte (und natürlich die gute Musik) anbieten. Über den New Yorker Nas beispielsweise staunte man schon vor zwei Jahren, als er sein Debüt „Illmatic“ veröffentlichte: Immenses

Reimtalent verband sich darauf mit einer außergewöhnlichen Produktion. HipHop-Produzenten wie Pete Rock, DJ Premier, L.E.S. oder der Large Professor gaben sich die Regler in die Hand – für einen zwanzigjährigen Debütanten ein ungewöhnlicher Ehrenbeweis.

Auf „It Was Written“ wird das Prinzip der heterogenen Produktion fortgesetzt. Allen Rivalitäten zum Trotz hat Nas sich sogar den rollenden Funk nach New York geholt: Das Stück „Nas is Coming“ wurde von Dr. Dre in bekannter Manier produziert und spekulativ im Zentrum des Albums plaziert. Aber auch mit Tracks wie „If I Rule The World“, auf dem Lauryn Hill von den Fugees Nas eindrucksvoll und supermelodiös zur Seite steht, oder dem souligen „Black Lost Girl“ dürfte den Pop-Connaisseuren keine Sorgen bereitet werden: In puncto Mass-Appeal steht das gesamte Album den fetten, erfolgreichen Produktionen aus dem Westen in nichts nach.

Die Geschichten, die Nas erzählt, strotzen trotz seiner Jugend vor Weisheit und Erfahrung. Nas kommt ohne platten Aufklärungscharakter, ohne penetrierendes Sendungsbewußtsein, ohne Lamentos und ohne Kraftgeprotze aus – Muskeln zeigt er nur in seiner Reimtechnik. Nüchtern wird auf das verwiesen, was wirklich ist – die unvermeidlichen Street Dreams, Shootouts oder Beziehungsgeschichten werden ihrer hohlen heroischen Gestik entkleidet.

Nicht minder souverän sind De La Soul nach drei Jahren Pause angetreten, mit ihrem vierten Album dem HipHop zu geben, was des HipHop ist: Beats und Rhymes. „De La Soul Is Dead“ nannten sie programmatisch ihr zweites Album, nachdem sie mit ihrem Debüt als verinnerlichte HipHop- Hippies und Soundschnipsler ungewollt in Esoterik- und Spaßecken gedrängt worden waren.

Viel brachte ihnen dieser Befreiungsschlag nicht ein – das Rennen machten in den folgenden Jahren andere. Die sogenannten Native tongues, denen afrozentrierte Traditionen wie Oral history, sprachlicher Symbolgehalt und fein ausgearbeitete Musik vor Stardom gingen – neben De La Soul u.a. auch A Tribe Called Quest und die Jungle Brothers – waren zwar hochangesehen, blieben aber randständige Figuren im HipHop.

An Tod und Wiederauferstehungen gewöhnt, sprechen De

La Soul auf „Stakes Is High“ von der Wiederkehr der Native tongues, mit der Begründung: „A skin not equal, a meteor has more right than my people, who be wasting time screaming who they've hated.“ Direktheit und Offensichtlichkeit stehen statt Wortspielereien und Allegorien auf dem Programm. Und das hat sich auch auf Sound und Beats ausgewirkt: Die neuen Stücke sind größtenteils bullerig, monoton und eindimensional, auf hörerfreundliche Einsprengsel wie noch auf dem letzten Album „Buhloone Mindstate“, wo Maceo Parker ein tolles Sax-Solo spielt, haben sie völlig verzichtet.

Kein eingängiger Chartshopper auf „Stakes Is High“, auch kaum musikalische Entdeckungsreisen, „Reisen ins Innere des Klangs“, weswegen der europäische Feingeist es schwer haben wird, sich mit diesem Album anzufreunden. Schade, aber wohl unumgänglich. Gerrit Bartels

Nas: „It Was Written“ (Sony)

De La Soul: „Stakes Is High“ (Eastwest)