„Europa hat damit ein Zeichen gesetzt“

■ Elisabeth Schroedter ist Abgeordnete der Grünen im Europäischen Parlament

taz: Warum haben sich die Grünen so vehement gegen den Abschluß des Interimsabkommens mit Weißrußland zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen?

Elisabeth Schroedter: Das Interimsabkommen ist im engeren politischen Sinne eine Anerkennung der jeweiligen Regierung und ihrer Erfolge bei der Bewältigung des wirtschaftlichen Transformationsprozesses und der demokratischen Umgestaltung. Das Abkommen enthält in der Präambel eine Demokratieklausel, die die Einhaltung von Menschenrechten und die Entwicklung von Demokratie zwingend vorschreibt. Diese Voraussetzungen sind in Weißrußland nicht gegeben. Und es gibt in Minsk im Moment auch keinen erkennbaren Willen, die Demokratie weiterzuentwickeln.

Die Verstöße gegen die Menschenrechte in Weißrußland sind bekannt. Warum hat der Ausschuß für Außenwirtschaftbeziehungen so eindeutig für den Abschluß des Interimsabkommens votiert?

Es gibt eine Lobby im Europäischen Parlament, die die Auffassung vertritt, daß man durch Wirtschaftsbeziehungen zu einem Land die Demokratie dort stabilisieren oder demokratische Entwicklungen einleiten kann. Das funktioniert aber nicht. Es gibt nur die Möglichkeit, die vorhandenen demokratischen Kräfte im Land zu stärken. Und das ist nicht gleichbedeutend mit der Unterstützung einer Regierung, die versucht, Demokratie abzubauen und durch diktatorische Maßnahmen ihre Macht zu stabilisieren.

Besteht nicht die Gefahr, daß sich eine Verzögerung des Abkommens negativ für die Bevölkerung auswirkt?

Diese Gefahr sehe ich nicht. Denn die Probleme liegen in Weißrußland selbst. Noch immer sind die meisten Betriebe und Banken in staatlicher Hand, die Privatisierung geht nur schleppend voran. Besonders kleine und mittlere Betriebe können sich nur schwer etablieren. Solange diese Probleme nicht gelöst sind, werden Handelserleichterungen kurzfristig nur einigen wenigen, nicht aber der Bevölkerung zugute kommen.

Was ist denn durch die vorläufige Vertagung gewonnen?

Europa hat ein Zeichen gesetzt. Vor allem für die Oppostion ist es wichtig zu wissen, daß die jetzige Lage in Weißrußland nicht dem entspricht, was wir uns unter einer demokratischen Entwicklung vorstellen. Jetzt geben wir dem weißrussischen Präsidenten die Chance, eine demokratische Entwicklung in seinem Land einzuleiten. Gleichzeitig haben wir damit aber auch deutlich gemacht, daß wir Weißrußland nicht isolieren, sondern enger an Europa binden wollen. Interview: Barbara Oertel