Großrazzia radikal - bundesweiter Einsatz

■ Bundesanwaltschaft ermittelt gegen "radikal"-Leser wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung

Hamburg (taz) – Auf der Suche nach UnterstützerInnen der verbotenen linken „Untergrunddruckschrift“ radikal gibt die Karlsruher Bundesanwaltschaft keine Ruhe. Am Montag ließ sie bundesweit sechs Wohnungen durchsuchen. In Hamburg, Buxtehude bei Hamburg, Speyer, Ludwigshafen und Flensburg wurden die Ermittler aktiv. Die ins Fadenkreuz der Bundesanwaltschaft geratenen Personen haben eines gemeinsam: Sie hatten das falsche Abonnement bestellt. Weil sie, so die gleichlautenden Durchsuchungsbeschlüsse, das Politblatt radikal regelmäßig bezogen und gar durch „Zahlung des Abonnementpreises“ der „kriminellen Vereinigung radikal“ mutwillig „Hilfe geleistet“ hätten, erhielten sie den unangemeldeten Besuch. Darüber hinaus sollen alle Durchsuchten die radikal auch „unterstützt“ haben, indem sie Exemplare der verbotenen Zeitschrift verteilten. Diese wiederum, so die Karlsruher Bundesanwaltschaft, werbe für „terroristische Vereinigungen“.

In Flensburg stürmte Punkt sechs Uhr früh ein schwer bewaffnetes und maskiertes Polizeisonderkommando in Begleitung der Staatsanwaltschaft die Unterkunft eines Abonnenten im autonomen Flensburger Wohnprojekt „Hafermarkt“. Türen wurden aufgebrochen, der mutmaßliche radikal- Helfer wurde überwältigt und sein Zimmer nach Augenzeugenberichten „total auf den Kopf gestellt“. Der 23jährige Mann wurde erkennungsdienstlich behandelt, später aber wieder, wie alle Durchsuchten, auf freien Fuß gesetzt.

In Hamburg-Altona verzichteten die Ermittler auf ihr Muskelspiel. Sechs Zivilbeamte des Landeskriminalamtes klingelten hier höflich, durchsuchten anschließend die Wohnung des Beschuldigten und eine von ihm genutzte Garage. Die Beamten beschlagnahmten einige radikal-Exemplare und ein Notizbuch.

Die bundesweite radikal-Razzia ist nicht die erste ihrer Art: Bereits im Juni 1995 hatte die Bundesanwaltschaft bundesweit 55 Räume durchsuchen und vier vermeintliche Mitarbeiter des Zeitungsprojekts verhaften lassen. Die vier Beschuldigten wurden nach einem halben Jahr Untersuchungshaft wieder auf freien Fuß gesetzt. Sie werden sich im kommenden Jahr in Koblenz wegen Mitgliedschaft in einer „kriminellen Vereinigung“ vor Gericht zu verantworten haben.

Noch in Haft befindet sich der Kölner Frank G., der sich nach einjähriger Flucht im vergangenen Monat in Bremen stellte. Ein weiterer per Haftbefehl gesuchter mutmaßlicher Mitarbeiter der radikal entzieht sich seit Juni 1995 dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden. Marco Carini