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Beton macht aggressiv

■ Der Arbeitskreis "Grün macht Schule" betreut seit 13 Jahren die Begrünung von Pausenhöfen. Doch im Ostteil Berlins sind noch immer viele Höfe völlig versiegelt

Der Schulhof der 8. Grundschule Mitte liegt eingekeilt zwischen der S-Bahn-Trasse und einem 24geschossigen Plattenbau. Züge donnern vorbei, auf der anderen Straßenseite lärmt der Lieferverkehr für die Markthalle am Alexanderplatz. Der Hof war früher betoniert und wurde von einer monotonen quadratischen Steinmauer begrenzt. Ein paar Bäume waren das einzige Grün auf dem Gelände – wahrlich kein angenehmer Ort für die Kinder, die sich in den Pausen oder nach dem Unterricht entspannen wollten.

Heute ist der Hof eine grüne Oase inmitten der Betonwüste rund um den Alex. 1991 hatten Lehrer und Schüler genug von der öden Freifläche: Sie begannen, den Hof schrittweise zu begrünen. Bald ergab sich der Kontakt zum Arbeitskreis „Grün macht Schule“, der seit 1983 Schulen berät, die wieder Leben auf ihre Höfe bringen wollen. Mit Mitteln aus dem Sonderprogramm der Senatsschulverwaltung „Vom Schulhof zum Spielhof“ wurde der größte Teil der Maßnahmen finanziert.

Eine Hügelkette, auf der Weidensträucher und Buchsbäume sprießen, umrahmt jetzt den Hof hinter der 8. Grundschule. Die Kinder haben sich selbst mehrere Wege durch das wildwuchernde Grün getrampelt. Die Oberfläche des Hofes wurde entsiegelt und neu gepflastert. Auf einem terassenförmig gestuften Spielhügel wurden sogenannte „Lümmelmöbel“ errichtet – schlichte Holzbänke und Baumstämme, die sich zum Balancieren, Hinsetzen oder Sonnen eignen. In dem Sandkasten davor steht ein verzweigtes Klettergerüst aus unbehandelten Rubinhölzern. Dieses Hartholz wurde eingesetzt, weil es im Unterschied zu lackierten Hölzern nicht sondermüllentsorgt werden muß. Am beliebtesten bei den Kindern ist jedoch „Grüni“, eine Schwingschaukel in Raupenform, die zugleich das neue Schulmaskottchen ist. „Manchmal sind da 20 Kinder gleichzeitig drauf und schaukeln wie die Irren“, berichtet der Schulhausmeister Rainer Wittig.

Mindestens zwei Stunden in der Woche halten sich Kinder allein in den Pausen auf ihren Schulhöfen auf. Doch in der Regel sind sie so triste, daß sie den Bedürfnissen der Schüler nicht gerecht werden. „Die Oberfläche von Pausenhöfen ist so auszubilden, daß sie staubfrei ist und schnell trocknet. Auf gute Entwässerung ist zu achten“, schreibt die DIN 18031 im schönsten Normdeutsch vor. Unter dem Titel „Hygiene im Schulbau“ haben Verwaltungsbeamte in den sechziger Jahren auch festgelegt, daß ausreichende „Besonnung“ und „je Schüler fünf Quadratmeter Freifläche“ nötig seien. In den Ballungsgebieten ließ sich ein solch großer Bewegungsfreiraum pro Nase zwar nicht einhalten, aber dafür befolgten die Schulbehörden die anderen Vorgaben um so penibler, wie die vielen zubetonierten Schulhöfe bezeugen.

Versiegelte Flächen sind allerdings nicht nur ökologisch problematisch, weil das Regenwasser nicht abfließen kann: „Bereits in den siebziger Jahren haben Untersuchungen gezeigt, daß ungestaltete Schulhöfe Aggressionen fördern“, sagt Ursula Müller, die Geschäftsführerin des „Umweltlabors Britz“, der als Trägerverein des Arbeitskreises „Grün macht Schule“ fungiert. Obwohl der Arbeitskreis gemeinsam mit der „Pädagogischen Beratungsstelle“ der Senatsschulverwaltung bereits rund 500 Berliner Schulen bei der Begrünung ihrer Pausenhöfe betreut hat, gibt es noch viel zu tun: Besonders auf Ostberliner Schulhöfen sei der Versiegelungsgrad immer noch sehr hoch und 20 Zentimeter dicke Betondecken keine Seltenheit. Schwierig sei derzeit nur die Finanzierung – „wir retten uns von einem Sonderprogramm zum nächsten“, so Müller.

„Grün macht Schule“ arbeitet eng mit Designern zusammen, anstatt auf den genormten Spielgerätekatalog zurückzugreifen. In der 8. Grundschule haben die Schüler beispielsweise unter der Anleitung eines Künstlers ein Fliesenmosaik an einem Sitzmäucherchen kreiert. Bewußt wird darauf verzichtet, jeden Winkel der Höfe auszugestalten, denn die Kinder brauchen auch Nischen, in die sie sich zurückziehen können, um in Ruhe zu quatschen oder erste Liebesbriefe auszutauschen. Wichtig ist, daß die Schüler von Anfang an mit an der Umgestaltung beteiligt werden, damit sie ihr neues Umfeld nicht nur akzeptieren, sondern auch aktiv bei der aufwendigen Pflege helfen. Dadurch werden die Hausmeister entlastet, die sich nicht selten querstellen, weil eine Begrünung für sie immer mehr Arbeit bedeutet. Auch Rainer Wittig, der begeisteter Hobbygärtner ist, will die Gartenarbeit nicht alleine machen. „Schließlich werde ich nach der Anzahl der Klassenzimmer und nicht nach Quadratmetern Grünfläche bezahlt.“

Informationen zur ökologischen Schulhofumgestaltung sind erhältlich beim Arbeitskreis „Grün macht Schule“, Margarete-Sommer-Straße, 10407 Berlin, Tel.: 42202289. Ole Schulz

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